Verfahrensgang
AG Hamburg-Barmbek (Entscheidung vom 15.02.2003; Aktenzeichen 811 b C 1/03) |
Tenor
Die „Verfügung” des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 15.02.2003 (Geschäftsnr. 811 b C 1/03) wird aufgehoben.
Gründe
1. Die (sofortige) Beschwerde des Klägers ist gem. § 336 Satz 1 ZPO zulässig. Zwar beruhte die Mitteilung des Amtsgerichts an den Kläger, dass ein Versäumnisurteil erst nach Ablauf der Schonfrist ergeben werde, auf einer Verfugung, nicht einem Beschluss; auch die Nichtabhilfeentscheidung erging nicht in der Form eines Beschlusses, sondern eines Vermerks an den Kläger. Sachlich erfüllen die Entscheidungen des Amtsgerichts indes die Voraussetzungen für eine sofortige Beschwerde; dementsprechend hat das Amtsgericht die Sache auch dem Landgericht vorgelegt. Es kann daher ohne Nachholung der bloßen Förmlichkeiten in der Sache entschieden werden.
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Wenn das Amtsgericht nach Eingang der Sache nicht den frühen ersten Termin (§ 275 ZPO) wählt, sondern das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO), ist Versäumnisurteil zu erlassen, wenn die Frist für die Verteidigungsanzeige ohne Reaktion von Beklagtenseite abgelaufen ist.
a) Das Amtsgericht hat sich zur Begründung insbesondere auf einen Beschluss des HansOLG Hamburg vom 23.02.1988 (WuM 1989, 139 = ZMR 1998, 225) bezogen. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um Entscheidung handelte, die nach § 541 ZPO a.F. die Landgerichte band. Abgesehen davon, dass sich durch die neue Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB das rechtliche Umfeld geändert haben dürfte (vgl. BayObLG, Rechtsentscheid vom 30.08.1994, WuM 1995, 645), ist das Verfahren nach § 541 ZPO a.F. durch die Reform des Zivilprozessrechts entfallen. Die Kammer ist daher nicht an einer anders lautenden Entscheidung gehindert.
b) Das HansOLG hat unter Bezug auf Sternel, Mietrecht, 2. Aufl. 1979 Rdn. 281 (ebenso 3. Aufl. 1988, IV, 424) ausgeführt, es wäre widersinnig, dem Schuldner ein nach materiellem Recht eingeräumtes Recht durch das Verfahrensrecht noch vor Fristahlauf zu nehmen (ähnlich König HmbGE 2003, 50). Es hat die Dispositionsfreiheit des Mieters in den Vordergrund gestellt, deren Schutz von Amts wegen zu beachten sei. Es sei daher von einer prozessualen Sperrfrist auszugehen (König a.a.O.).
Diese Meinung überzeugt bei näherer Betrachtung nicht. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs unwirksam, wenn der Mieter innerhalb der Schonfrist leistet. Diese Wirkung der rechtzeitigen nachträglichen Zahlung wird dem Mieter durch ein vor Ablauf der Frist erlassenes Versäumnisurteil nicht genommen. Es bleibt ihm vielmehr ohne weiteres möglich, dem Urteil durch die Zahlung die Rechtsgrundlage zu entziehen. Eine Erschwerung seiner Rechtsposition besteht allerdings darin, dass er gegen die Entscheidung entweder mit Einspruch nach § 338 ZPO oder Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO angehen muss, wobei Letzteres durch die allbekannte Überlastung der Gerichte und die damit verbundenen Verfahrenslaufzeiten die absolute Ausnahme sein dürfte.
Diesem Nachteil steht die Rechtsposition des Vermieters gegenüber, der materiell nach § 543 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB und formell nach § 569 Abs. 4 BGB wirksam gekündigt hat, dessen Räumungsklage dem Mieter ordnungsgemäß zugestellt wurde und der trotz der ihm gesetzten Notfrist von zwei Wochen nicht reagiert hat. Sowohl nach materiellem wie auch prozessualem Recht steht dem Vermieter bei dieser Sachlage eine positive Säumnisentscheidung zu. Diesem Anspruch die Dispositionsfreiheit des Mieters, ob er von der Schonfrist Gebrauch machen will oder nicht, entgegen zu setzen, bedeutet letztlich, seine Wahlmöglichkeit über die Rechte des Vermieters zu einem Zeitpunkt zu stellen, zu dem der Mieter zu der richterlichen Aufforderung, ggf. Verteidigung anzuzeigen, längst hätte Stellung nehmen und die Ausübung seiner Wahl hätte artikulieren können, etwa durch die Mitteilung, Leistung werde noch innerhalb der Schonfrist erfolgen. Es wäre vielmehr sogar zu bedenken, das Schweigen des Mieters als Ausübung des Wahlrechts zu werten. Im Übrigen hat der Mieter allein eine materiell-rechtliche Dispositionsfreiheit, keine prozessuale in dem Sinne, dass er einen Anspruch auf Erlass eines Versäumnisurteils erst nach Ablauf der Schonfrist hätte (O'Sullivan ZMR 2002, 250, 252) und damit im Ergebnis die Weiternutzung der Wohnung mit dem Risiko des Vermieters, die entsprechende Nutzungsentschädigung überhaupt zu erhalten.
Schließlich ist die Begründung für die Verlängerung der Schonfrist in die Überlegungen einzubeziehen. Die Schonfrist als solche dient der Vermeidung von Obdachlosigkeit im allgemeinen Interesse. Ihre Verlängerung ist eine Reaktion darauf, dass die bisherige Frist sich für die Sozialhilfebehörden häufig als zu kurz erwiesen hat (Grundmann, Mietrechtsreformgesetz, BegrRegEntw, S. 147); dies liegt, wie allgemein bekannt, an den Maßnahmen zur Personaleinsparung durch die Kommunen. Würde dem Vermieter der Anspruch auf...