Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietminderung wegen Perchlorethylen in Raumluft

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Bei einer Perchlorethylenkonzentration, die bei regelmäßigem Lüften unter sowie nach 24 Stunden ohne Lüftung etwas über 0,1 mg pro Kubikmeter Raumluft liegt, ist der Mietzins für die Wohnung nicht gemindert.

2. Eine Minderung wegen der Besorgnis der Gefahr von Gesundheitsschäden ist nur dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache eine Schadenswahrscheinlichkeit begründet.

 

Tatbestand

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die Kläger sind Vermieter, die Beklagten Mieter einer Wohnung im Hause. In diesem Haus betrieb die Streitverkündete bis zum 1.10.1987 eine chemische Reinigung, in der mit Perchlorethylen (PER) gearbeitet wurde. Die Beklagten minderten wegen der früheren Verwendung von PER nach entsprechender Ankündigung die Brutto-Kaltmiete (833,29 DM) ab April 1988 um 466,65 DM. Seit August 1988 zahlen die Beklagten diesen Teil der Miete unter Vorbehalt.

Am 9.2.1988 wurde bei einer Messung in der Wohnung der Beklagten PER in einer Konzentration von 3,6 mg je cbm festgestellt. Die Analyse einer Blutprobe der Beklagten zu 1) ergab einen Wert von 0,031 mg je Liter Blut. Die Blutprobe des Beklagten zu 2) ergab einen Wert von 0,04 mg, die seines Sohnes einen von 0,026 mg je Liter Blut. In der Zeit vom 20.4. bis 27.4.1988 wurde vom Amt für Umweltschutz die Raumluft in der Wohnung der Beklagten ständig gemessen. Dabei ergab sich ein Wert von 0,03 mg pro cbm Luft. Des weiteren wurde die Luft am 28.4.1988 und 2.6.1988 gemessen, nachdem die Räume 24 Stunden nicht gelüftet worden waren. Hierbei wurden Werte von 0,208 mg bzw. 0,125 mg je cbm Luft festgestellt.

Die Kläger haben zunächst Zahlung von 933,30 DM für die Monate April und Mai 1988 sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten nicht berechtigt sind, die Miete wegen PER zukünftig zu mindern. Im Verlaufe des Rechtsstreits haben die Kläger statt des Feststellungsantrages den Zahlungsantrag um 933,- DM auf 1.866,60 DM erhöht.

Die Kläger und die Streitverkündete tragen vor, daß die Beklagten nicht zur Mietminderung berechtigt seien. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse darüber, in welcher Weise PER auf den menschlichen Körper Einfluß nehme. Der MAK-Wert (maximale Konzentration am Arbeitsplatz) betrage 345 mg je cbm.

Die Beklagten tragen vor, das Bezirksamt E. habe in einer Presseerklärung mitgeteilt, daß Raumluftkonzentrationen von mehr als 1 mg je cbm als gesundheitlich bedenklich einzustufen seien. Nach Auffassung des Bundesgesundheitsamtes seien bei mehr als 5 mg PER je cbm Raumluft gesundheitliche Gefahren zu befürchten. Des weiteren vertrete das Bundesgesundheitsamt die Ansicht, daß nach dem vorsorglich anzuwendenden Minimierungsprinzip ein Wert von 0,1 mg PER je cbm Luft angestrebt werden sollte. Die Beklagten behaupten, daß schon bei einer Raumluftkonzentration von 0,1 mg je cbm insbesondere mit der Schädigung innerer Organe zu rechnen sei. Im übrigen gelte eine Mietsache im Hinblick auf eine Gefahrenquelle nicht erst dann als mangelhaft, wenn der Mieter wirklich Schaden erleide, sondern schon dann, wenn er sie nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung benutzen könne. Eine begründete Gefahrbesorgnis sei aufgrund der am 9.2.1988 durchgeführten Messung, deren Werte am 17.3.1988 mitgeteilt worden seien, eingetreten. Erst mit dem Eingang des Berichtes des Amtes für Umweltschutz v. 11.8.1988 sei die Besorgnis der Beklagten zumindest nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand beendet gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das AG hat die Beklagten zu Recht gem. § 535 BGB zur Zahlung des restlichen Mietzinses für die Monate April bis Juli 1988 verurteilt, weil die Gebrauchstauglichkeit der gemieteten Wohnung in dieser Zeit nicht i.S.d. § 537 BGB mehr als unerheblich herabgesetzt war. Die Kammer nimmt Bezug auf ihren Beschluß v. 3.3.1989 sowie auf die zutreffenden Ausführungen des AG, mit denen das AG die vorgenommene Minderung für unberechtigt erklärt hat. Sie weist ergänzend auf folgendes hin:

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage, ob bei den ab April 1988 in der Raumluft der Wohnung der Beklagten gemessenen Perchlorethylenkonzentrationen eine begründete Besorgnis der Gefahr von Gesundheitsschäden bestand, ist nach Auffassung auch der Kammer entbehrlich. Aus keiner der von den Beklagten eingereichten, zum Teil der Presse entnommenen zahlreichen Stellungnahmen verschiedener Sachverständiger und Institutionen, die die Kammer bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, ist zu entnehmen, daß eine Gesundheitsgefahr schon bei den ab April gemessenen Werten bestünde bzw. in der Fachwelt behauptet würde. Soweit die Kammer in ihrem Beschluß v. 3.3.1989 auf den vom Bundesgesundheitsamt im Sinne eines Minimierungsgebots geforderten Grenzwert abgestellt und die in der Wo...

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