Leitsatz (amtlich)
- Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Regreßwahrung in der Verkehrshaftungsversicherung umfaßt nicht die gerichtliche Geltendmachung des Deckungsanspruchs des Schädigers gegen dessen Haftpflichtversicherer nach § 156 VVG oder gegen den Insolvenzverwalter nach § 157 VVG.
- Es ist jedenfalls nicht grob schuldhaft im Sinne von § 6 Abs. 3 VVG, diese Rechtsbehelfe zu unterlassen.
- Der “Versicherungsmakler”, der den Versicherungsvertrag für den Versicherer abschließt und verwaltet, ist nicht treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers, sondern Pseudomakler (BGH TranspR 2002, 258). Sein Wissen und sein Verhalten muß sich der Versicherer nach § 166 Abs. 1 BGB bzw. § 278 BGB zurechnen lassen.
- Weiß zwar der Versicherer, nicht aber der Versicherungsnehmer, daß einem Regreßschuldner unter Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG Deckung versagt worden ist, kann sich der Versicherer schon nach Treu und Glauben nicht auf eine unterlassene Regreßwahrung berufen, wenn er den Versichungsnehmer hierüber im Unklaren läßt.
Tenor
Es wird festgestellt, daß die Beklagten entsprechend ihren nachstehend genannten Anteilen an der Speditions-Haftungs-Police Nr. … der S… Versicherungsmakler GmbH verpflichtet sind, der Klägerin Deckungsschutz – die Beklagte zu 1) mit 60 % und die Beklagte zu 2) mit 40 % – aus dem Versicherungsvertrag wegen folgenden Schadens zu gewähren:
Verlust des Containers MSKU 615895/6, befüllt mit 384 Kartons Monitore auf dem Weg von Hamburg nach Braunschweig in der Zeit vom 8. bis 12. Dezember 2000 (Schadennummer …).
- Die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin von Schadensersatzansprüchen der Firma M…. wegen (dieses) Schadens freizuhalten.
- Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, und zwar die Beklagte zu 1) zu 60 % und die Beklagte zu 2) mit 40 %. Im selben Verhältnis werden ihnen die durch die Nebenintervention verursachten Kosten auferlegt.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Deckung aus einer Verkehrshaftungsversicherung.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Mai 1998 ein durch die Firma S… Versicherungsmakler GmbH vermittelter und von ihr für die Beklagten verwalteter Speditions-Haftungs-Versicherungsvertrag, für den seit dem 1. Juli 1998 die “Versicherungs-Bedingungen für die Speditions-Haftungs-Police” sowie die “Speditions-Versicherungs-Bedingungen (gemäß Ziff. 29 ADSp)” gelten. Nach Ziff. 6.1.5 der zuerst genannten Versicherungsbedingungen obliegt es dem Versicherungsnehmer, “die Wahrung von Regreßansprüchen gegenüber den von ihr im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung eingeschalteten Erfüllungsgehilfen in geeigneter Weise und im ausreichendem Maße sicherzustellen.” Die Verletzung einer Obliegenheit hat gemäß Ziff. 6.5 die Leistungsfreiheit der Versicherer “nach Maßgabe des § 6 Versicherungs-Vertrags-Gesetz (VVG)” zur Folge. Nach Ziff. 9. liegt die Geschäftsführung aus dem Versicherungsvertrag in Händen der S… Versicherungsmakler GmbH, nach Ziff. 36 der Speditions-Versicherungs-Bedingungen ist sie mit weiteren Vollmachten und Befugnissen ausgestattet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Über diesen Versicherungsmakler hatte im Jahre 2000 auch ein bis dahin ständiger Geschäftspartner der Klägerin, die Firma B…Transporte GmbH, ihre Haftpflicht aus Verkehrsverträgen eingedeckt, und zwar bei der A… Versicherung AG.
Am 8. Dezember 2000 erhielt die Klägerin von der Firma M… einen Auftrag zur Beförderung des Containers MSKU 6158956 von Hamburg (Eurokai) nach Braunschweig. In dem Container waren 384 Kartons Monitore gestaut. M…. war ihrerseits von der Firma F… Computers GmbH mit der multimodalen See- und anschließenden Straßenbeförderung beauftragt. Die von dieser importierten Monitore hatten einen Handelswert von EUR 76.294,18.
Die Klägerin setzte ihrerseits die Firma B… Transporte als Unterfrachtführer ein. Deren Fahrer holte den Container noch am selben Tage, einem Freitag, am 8. Dezember 2000, ab und stellte seinen Sattelzug am Abend um ca. 20.30 Uhr auf einem Parkplatz in Halle-Neustadt ab, um ihn am darauf folgenden Montag (11. Dezember 2000) beim Empfänger in Braunschweig abzuliefern. Hierzu kam es nicht mehr, weil der gesamte LKW in der Zeit bis zum 10. Dezember 2000, 17.00 Uhr, entwendet wurde. Die Klägerin hielt die Firma B… haftbar und meldete den Schaden dem Versicherungsmakler; dies geschah auch seitens der Firma B… (deren Schadennummer: …).
Wenige Tage nach diesem Vorfall stellte die Firma B… einen Insolvenzeigenantrag, dem mit Beschluß vom 27. März 2001 stattgegeben wurde. Wegen der zu diesem Zeitpunkt offenen Frachtverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Schuldnerin in Höhe von ca. EUR 37.000,– erhob deren Insolvenzverwalter nach vorausgegangenem Mahnverfahren Zahlungsklage (LG Hamburg 414 O 128/01). In diesem Rechtsstreit, in dem sich die Klägerin durch ihren jetzigen Streithelfer vertreten ließ, verteidi...