Nachgehend

OLG Hamburg (Urteil vom 21.05.1987; Aktenzeichen 3 U 49/87)

 

Tatbestand

Die Klägerin - eine bekannte Politikerin - verlangt von der Beklagten ein Schmerzensgeld wegen der Veröffentlichung der in deren Verlag erscheinenden Zeitung "X" vom 16. Juli 1986 unter der Überschrift: "P. nackt - sie will 80 000 Mark."

Auf das Aufforderungsschreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 23. Juli 1986 verpflichtete sich die Beklagte mit Schreiben vom selben Tage, in der "X"-Zeitung vom 24. Juli 1986 eine berichtigende Meldung abzudrucken, ferner gab die Beklagte die von der Klägerin geforderte Verpflichtungserklärung ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe weiterhin ein ganz erhebliches Schmerzensgeld zu, die berichtigende Veröffentlichung in der "X"-Zeitung vom 24. Juli 1986 kompensiere nur einen Teil des eingetretenen Schadens. Die Schwere der Rechtsverletzung ergebe sich insbesondere daraus, daß bei dem flüchtigen Leser der Schlagzeile auf Seite l der Eindruck erweckt werde, die Klägerin sei bereit, sich für Nacktdarstellungen - jedenfalls gegen Entgelt - zur Verfügung zu stellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist insoweit begründet, als der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5000,- DM zuzusprechen ist. Abzuweisen ist die weitergehende Klage auf Zahlung eines höheren Schmerzensgeldbetrages, wobei davon auszugehen ist, daß die Klägerin hier ein Schmerzensgeld in Höhe von 50 000,- DM für angemessen hält.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat derjenige, der durch eine Presseveröffentlichung grob schuldhaft und schwerwiegend in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens in Geld, wenn eine anderweitige Kompensation dieses Schadens nicht möglich ist (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB entsprechend).

Die von der Klägerin beanstandete Publikation verletzt diese nach Auffassung der Kammer allein deshalb in schwerer, von der Beklagten als grob schuldhaft zu vertretender Weise in ihrem Persönlichkeitsrecht, weil die Artikelüberschrift als größte Schlagzeile über dem Bruch in ihrer konkreten Ausgestaltung den Eindruck erwartet, die Klägerin dulde Nacktdarstellungen von sich, wenn ihr dafür 80 000,- DM gezahlt werden.

Bei der Abgrenzung des maßgeblichen Rezipientenkreises sind zunächst jene "Zufallsleser" in Betracht zu ziehen, die lediglich von der Schlagzeile Kenntnis nehmen. Diese ist hier auf über 10 Meter Entfernung noch gut lesbar, allerdings nur hinsichtlich der Worte "P. nackt - 80 000,- DM". Die Mehrzahl derer, die auf Distanz mit der streitigen Schlagzeile eher beiläufig konfrontiert werden, kann ihr nur entnehmen, die Klägerin habe sich für den namhaften Betrag von 80 000,- DM "wohl ausgezogen". Dasselbe gilt für diejenigen, die nur einen flüchtigen Blick auf eine herumliegende "X"-Zeitung werfen oder z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln "mitlesen". Selbst diejenigen Teile des Publikums, die die Worte "sie will" mit zur Kenntnis nehmen, werden erst in zweiter Linie auf die Idee kommen, es gehe hier um Schadensersatzforderungen wegen einer ungeneh-migten zeichnerischen Nacktdarstellung.

Daß der vorstehend geschilderte Eindruck nach der Lektüre des gesamten Artikels wieder beseitigt werden dürfte, ändert nichts daran, daß sich bei nicht unerheblichen Teilen des Publikums die Vorstellung festsetzen mußte, die Klägerin wolle Geld für irgendwelche obskuren Nacktdarstellungen (nächstliegend: Nacktfotos).

Dieser Eindruck ist zur Überzeugung der Kammer von der Redaktion auch beabsichtigt worden. Größe und Wortwahl der Schlagzeile sollen ersichtlich suggerieren, in der Zeitung werde über einen handfesten Skandal berichtet. Daß es lediglich um eine Schmerzensgeldklage wegen einer Karikatur geht, erfährt der Leser erst nach Lektüre des Fließtextes.

Die Bildveröffentlichung selbst enthält keine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin. Die Darstellung ist als Zeichnung ohne weiteres erkennbar und überdies am oberen Brustansatz so geschnitten, daß von sichtbaren sekundären Geschlechtsmerkmalen kaum noch gesprochen werden kann. Details des Bildes erschließen sich dem Leser darüber hinaus nur aus einer Betrachtungsnähe, die die Lektüre des (hier aufklärenden) Fließtextes geradezu aufnötigt.

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sind zugunsten der Beklagten allerdings drei Umstände in Rechnung zu stellen. Zum einen wird bereits in dem unterstrichenen Vorspanntext auf Seite l unmittelbar unter der Schlagzeile der richtige Sachverhalt geschildert, die Rechtsbeeinträchtigung ergibt sich also nur aus der Schlagzeile.

Zum anderen hat im Sinne des öffentlichen Informationsinteresses ein wichtiger Berichtsanlaß bestanden. Die Tatsache, daß ein prominenter Politiker mit erheblichen Geldforderungen gegen die Veröffentlichung einer Karikatur vorgeht, stellt einen Umstand dar, der für die Meinungsbildung des Publikums von Bedeutung sein sollte.

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte sofort nach Aufforderung durch die Klägerin einen berich...

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