Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.01.1987; Aktenzeichen 74 O 414/86)

 

Tenor

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 30.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg, Die der Beklagten ist unbegründet.

I. Die Beklagte hat die Klägerin schuldhaft in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

1. Die Rechtsverletzung liegt in erster Linie darin, dass die Hauptschlagzeile der xxx-Zeitung vom 19. Juli 1986 so formuliert ist, dass sie die Klägerin Mutmaßungen dahin aussetzt, sie sei bereit, sich gegen Zahlung von 80.000 DM nackt abbilden zu lassen oder habe dies bereits getan.

Dieser Eindruck ergibt sich für alle Betrachter dieser Ausgabe der xxx-Zeitung, die nicht den kleingedruckten Fließtext des Artikels lesen, der auf der Seite 1 beginnt. Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass es sich hierbei um einen großen Personenkreis handelt. Die Titelschlagzeile einer Ausgabe der xxx-Zeitung ist darauf ausgelegt, das Interesse und die Neugier der Leser auf den angekündigten Artikel zu ziehen und ihn so nach Möglichkeit zum Kauf der Zeitung zu bewegen. Dem entspricht das Layout. Die Hauptschlagzeile ist auch aus größerer Entfernung noch gut lesbar. Sie ist daher überall wahrzunehmen, wo die Zeitung ausliegt, insbesondere am Verkaufsstand, und überall dort, wo sie in Gegenwart Dritter so gelesen wird, dass die Frontseite sichtbar ist.

Nach der Ausgestaltung der Titelseite ergeben sich mehrere Stufen der Wahrnehmung des Textes durch die Leser. Auf sehr große Entfernung ist zu lesen: "xxx nackt 80.000 DM". Auf nähere Entfernung lautet der Text: "xxx nackt. Sie will 80.000 DM". Neben der Schlagzeile steht der farbige Bildausschnitt, der die Klägerin tatsächlich bis auf den Brustansatz ohne Kleidungsstück abbildet und der erst auf näheres Betrachten hin als Zeichnung erkennbar wird.

Selbst der noch etwas größer gedruckte Text unter diesem Bildausschnitt: "Kein Lächeln, cooler Blick - xxx im Penthouse-Kalender" klärt den Leser immer noch nicht darüber auf, dass es nicht um ein Veröffentlichungshonorar geht, das die Klägerin fordert.

In allen dargestellten Wahrnehmungsformen bleibt der Leser damit darauf angewiesen, Mutmaßungen darüber anzustellen, was die Schlagzeile ankündigt. Nur wer den kleingedruckten Anfang des Fließtextes, der nur im Leseabstand wahrgenommen werden kann, liest, erfährt, worum es geht.

Diejenigen, die diesen kleingedruckten Text nicht lesen können, insbesondere nicht die Zeitung zu diesem Zweck erwerben wollen, werden weit überwiegend zum Nachteil der Klägerin schließen, dass sie sich zu einer Abbildung ihres nackten Körpers gegen Geldzahlung hergegeben habe. Das entspricht nicht nur dem naheliegenden Verständnis der wahrgenommenen Aussage. Es deckt sich auch mit der Erwartung der Leser, xxx habe wieder eine Sensation zu berichten. Der wahre Sachverhalt, dass nämlich die Klägerin durch eine Veröffentlichung dieser Art geschädigt Schadensersatz verlangte, liegt aus der Sicht des Lesers deutlich ferner und hätte im Übrigen nicht den durch die Aufmachung der Schlagzeile angekündigten Sensationswert.

Diese Wirkung entsteht auch noch bei denjenigen, die den Text unter dem Bildausschnitt lesen. Sie können immer noch überwiegend zu der Schlussfolgerung gelangen, die Klägerin habe sich im Penthouse-Kalender nackt abbilden lassen und fordere dafür einen horrenden Honorarbetrag.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der die Zeitung nicht in Händen hat, im Fließtext auf Seite 1 den Kern des zutreffenden Sachverhalts erkennt, ist sehr gering. Dieser Text enthält die maßgebliche Aussage nämlich erst als letzten Satz.

2. Die Beklagte muss für die Folgen dieser Ausgestaltung ihrer Titelschlagzeile einstehen. Sie hat auf diese Weise in Rechte der Klägerin eingegriffen.

Zwar kann grundsätzlich keine Presseberichterstattung davor sicher sein, bei ganz oberflächlicher Betrachtung durch den Leser missverstanden zu werden oder zu unzutreffenden Mutmaßungen Anlass zu geben. Der Senat hat deshalb entschieden, dass in einem solchen Falle eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts dann nicht anzunehmen ist, wenn eine Güterabwägung ergibt, dass derartige nachteilige Reflexe einer wahren, nicht auf Irreführung angelegten Presseberichterstattung hinzunehmen sind. Es würde eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Grundrechts der Pressefreiheit bedeuten, wenn die Verlage für derartige letztlich nicht vorhersehbare Fehlinterpretationen einstehen müssten (vgl. Urteil des Senats, AfP 1985, 54 ff.). Diese Grundsätze gelten vor allem bezüglich der Leser, die im Inneren einer Zeitung oder Zeitschrift Artikel überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen, sondern sich nur an Überschriften orientieren. Auf derartige besonders flüchtige Leser muss die Presse nicht Rücksicht nehmen.

Anders liegen die Dinge bei Schlagzeilen auf der ersten Seite, die dazu bestimmt sind, das Interesse auch solcher Personen anzulocke...

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