Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nachschieben von Kündigungsgründen. zur angemessenen wirtschaftlichen Verwertung
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Das Nachschieben oder Auswechseln von Kündigungsgründen ist statthaft, wenn die Kündigung zunächst wirksam war und die nachgeschobenen Gründe erst nachträglich entstanden sind.
2. Der Verkaufserlös einer Wohnung wird nicht angemessen durch Erwerb einer anderen Wohnung verwertet, wenn die Nutzung einer anderen Wohnung aus dem Mieterlös der zu verkaufenden Wohnung finanziert werden kann.
Zitierung: Vergleiche LG Gießen, 1983-06-15, 1 S 140/83, WuM 1984, 226 und LG Aachen, 1982-07-23, 3 S 160/82, WuM 1984, 227.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Kammer ist mit dem AG im Ergebnis der Meinung, daß die Klägerin aus der Kündigung v. 27.4.1987 keine Rechte herleiten kann.
Dabei geht die Kammer davon aus, daß die Kündigungserklärung zunächst einmal wirksam war - unbeschadet der Frage, ob die Beklagten gemäß § 556a BGB eine Fortsetzung des Mietverhältnisses hätten verlangen können. Die Klägerin hat Eigenbedarf i.S. von § 564b Abs. 2 Ziff. 2 BGB schlüssig vorgetragen. Bei dem Wunsch, die Wohnung ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter zur Verfügung zu stellen, die zum damaligen Zeitpunkt nach Hamburg ziehen wollten, um dort Arbeit zu suchen, handelt es sich um einen vernünftigen Grund im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH WM 1988, 47).
Die Klägerin kann sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr auf diese Kündigung berufen, da der Eigenbedarf weggefallen ist, nachdem die zukünftige Schwiegertochter der Klägerin in Bielefeld Arbeit gefunden hat und sie und der Sohn der Klägerin daher im Raum Bielefeld/Münster bleiben wollen.
Zwar hält die Kammer das Nachschieben oder Auswechseln von Gründen für statthaft, wenn die Kündigung zunächst wirksam war und die nachgeschobenen Gründe - wie hier - erst nachträglich entstanden sind (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Miete 3. Aufl., Rn. 82ff.; LG Gießen WM 1984, 226; LG Aachen WM 1984, 227; a. A. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV 107ff.). Die neuen Gründe sind jedoch nicht geeignet, die ausgesprochene Kündigung aufrecht zu erhalten. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, daß ein Fall der Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung i.S. des § 564b Abs. 2 Ziff. 3 BGB gegeben ist.
Die Kammer ist nicht der Auffassung, daß es sich bei dem Wunsch, dem Sohn und seiner Verlobten eine Eigentumswohnung zu verschaffen, um eine angemessene Verwertung handelt und daß die Nichterfüllung dieses Wunsches einen erheblichen Nachteil für die Klägerin darstellen würde. Die Kammer hält es für zumutbar, wenn die Klägerin ihrem Sohn und seiner Verlobten in Münster eine Mietwohnung finanzieren würde. Es ist nicht vorgetragen worden, daß eine solche Finanzierung aus den Mieteinnahmen der streitigen Wohnung nicht möglich wäre.
Im übrigen kann die Frage, ob ein erheblicher Nachteil droht, nur unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin beurteilt werden (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze 6. Aufl., B 657; Emmerich/Sonnenschein, Miete 3. Aufl., § 564b BGB Rn. 63). Darlegungspflichtig hierfür ist die Klägerin. Sie hat jedoch, obwohl diese Frage in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in gebotener Weise offengelegt, insbesondere nicht deutlich gemacht, daß sie auf die Veräußerung der streitigen Wohnung angewiesen ist, um ihrem Sohn Wohnungseigentum zu verschaffen. Die Angabe, daß der Ehemann der Klägerin in Kürze in Rente gehen werde und daß die Klägerin in Kürze in Rente gehen werde und daß die Klägerin über weitere Mietwohnungen nicht verfüge, ist nicht ausreichend.
Auf die Frage, ob die Beklagten gemäß § 556a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen könnten, kommt es angesichts der Unwirksamkeit der Kündigung nicht an.
Fundstellen