Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen unwirksamer Wohnraumkündigung
Orientierungssatz
Der Vermieter von Wohnräumen kann sich schadenersatzpflichtig machen, wenn er eine unwirksame Kündigung ausspricht. Den Mieter kann ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens treffen, wenn er der Kündigung nicht widersprochen hat.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts, mit dem sie zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger verurteilt worden ist.
Der Kläger war Mieter des in H. in der X-Straße belegenen Reihenhauses, das der Beklagten gehörte. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 6. November 1972 zum 31. Dezember 1973. Es enthielt Hinweise über das Widerspruchsrecht des Klägers, des weiteren über die Formerfordernisse und Fristerfordernisse des Widerspruchs. Insoweit wird auf das Kündigungsschreiben (Bl 5a dA) Bezug genommen. Über der Grußzeile schrieb die Beklagte:
"Ich spreche die Kündigung wegen Eigenbedarfs aus".
Weitere Angaben machte sie nicht. Später erklärte sich die Beklagte zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist bis zum 30. Juni 1974 bereit. Der Kläger widersprach der Kündigung nicht. Er räumte das Mietobjekt bis zum 30. Juni 1974. Ihm entstanden Kosten in Höhe von 1.880,92 DM, die sich aus den Beträgen von 1.745,92 DM für den Umzug und 135,-- DM für einen neuen Telefonanschluß zusammensetzten.
Mit Zustimmung der Beklagten erschien am 19. Juni 1974 im "H. Abendblatt" eine Anzeige, nach der ihr Reihenhaus für 105.000,-- DM zu kaufen war. Von dieser Anzeige erfuhr der Kläger im November 1974. Mit Schreiben vom 21. November 1974 forderte er die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. November 1974 zur Schadensersatzleistung auf. Sie antwortete mit Schreiben vom 27. November 1974. Nach ihren dortigen Angaben habe sie bei Ausspruch der Kündigung vom 6. November 1972 befürchtet, sie werde eine Kündigung hinsichtlich der von ihr selbst bewohnten Wohnung erhalten. Gegenüber allen anderen Mietern in dem betreffenden Haus habe der Eigentümer bereits Kündigungen ausgesprochen gehabt.
Der Beklagte hat vorgetragen,
die Beklagte habe ihn getäuscht. Ihre Angaben im Schreiben vom 27. November 1974 seien unrichtig. Sie habe von vornherein, spätestens aber seit Aufgabe der Anzeige, ihr Haus nicht beziehen wollen. Sie habe vielmehr die Absicht gehabt, es zu verkaufen. Er hätte die Wohnung bei Kenntnis ihrer wirklichen Ziele nicht geräumt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.880,92 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Dezember 1974 zu zahlen.
Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Bei Abfassung des Kündigungsschreibens sei sie fest entschlossen gewesen, ihr Reihenhaus selbst zu beziehen. Diese Absicht habe sie auch weiterhin, noch beim Auszug des Klägers gehabt. Erst nach eingehenden Gesprächen im Juni 1974 mit ihren Beratern in Grundstücksangelegenheiten, den Herren ... und ... , habe sie an der Wirtschaftlichkeit ihres Vorhabens gezweifelt. Den definitiven Entschluß zum Verkauf habe sie aber erst Monate später gefaßt.
Das Amtsgericht hat am 26. August 1975 Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren ... und ... als von der Beklagten benannten Zeugen. Auf das Protokoll der Beweisaufnahme (Blatt 28 - 29 dA) wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 7. Oktober 1975 der Klage stattgegeben.
Gegen das am 17. Oktober 1975 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch einen am 4. November 1975 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor:
Bereits lange Zeit vor Mitte Juni 1974 habe der Kläger mit dem Eigentümer des nunmehr von ihm bewohnten Hauses einen neuen Mietvertrag geschlossen. Die Kosten für den am 19. Juni 1974 durchgeführten Umzug beruhten auf einer lange vorher getroffenen Vereinbarung des Klägers mit dem Möbelspediteur, die man nicht ohne weiteres rückgängig machen könne.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils vom 7. Oktober 1975 den Kläger mit der Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist im übrigen auf das amtsgerichtliche Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten im Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist teils begründet, teils unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Hälfte des geltend gemachten Betrages, nämlich 940,46 DM, als Schadensersatz wegen positiver Forderungsverletzung verlangen (§§ 280, 286, 325, 326 BGB analog). Die Beklagte verstieß gegen die aus dem Mietverhältnis sich ergebende Schutzpflicht, unwirksame Kündigungen zu unterlassen. Eine solche Pflicht ist angesichts der mit Art 1 § 1 1. WKSchG verfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung, dem Mieter einen umfassenden Bestandsschutz zu gewähr...