Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Führt der Verlust der Fähigkeit des Mieters zu sozial angepaßtem Verhalten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Interessen der übrigen Mieter im Haus, ist die fristlose Kündigung des Mietvertrages begründet.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das AG hat die Beklagte zu Recht zur Herausgabe ihrer Wohnung nach § 556 BGB verurteilt, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Klägerin v. 25.9.1984 beendet ist. Die Kündigung ist nach § 554a BGB wirksam, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, daß bei deren Zugang die Fortsetzung des Mietverhältnisses der Klägerin aufgrund schuldhafter Vertragsverletzungen der Beklagten unzumutbar war. Zur Begründung dieser Entscheidung wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Das Gericht teilt insbesondere nicht deren Ansicht, daß der durch die Aussagen der Zeugen bewiesene Gestank nicht seit der Abmahnung v. 30.8. und 17.9.1984 hätte beseitigt werden können. Nach den Erörterungen vor dem Einzelrichter ist davon auszugehen, daß Ursache des Gestanks im wesentlichen die Aufbewahrung von verdorbenen bzw. verderbenden Lebensmitteln durch die Beklagte ist. Es soll zugunsten der Beklagten angenommen werden, daß, im Einklang mit den Bekundungen der Mitarbeiter der Altenhilfe, insoweit zur Behebung dieses Mangels eine gründliche Reinigung der Wohnung der Beklagten und sodann deren fortlaufende Sauberhaltung ausreichend ist. Die Kündigung wäre erst recht begründet, wenn der Gestank, so wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung es vorträgt, nur in 6 bis 10 Monaten zu beheben wäre. Das Gericht ist ebenso wie das AG aufgrund der Aussagen der Zeugen davon überzeugt, daß die Beklagte wiederholt Eimer mit übelriechender Flüssigkeit, teils von ihrem Balkon aus, in den Garten geschüttet hat. Beide Verhaltensweisen der Beklagten, das Verkommenlassen ihrer Wohnung und das Ausschütten von übelriechender Flüssigkeit in den Garten, begründen schuldhafte Vertragsverletzungen, die auch mit der jahrzehntelangen Dauer des Mietverhältnisses und dem hohen Lebensalter der Beklagten nicht zu entschuldigen sind. Zwar folgt hieraus bei der nach § 554a BGB vorzunehmenden Interessenabwägung eine gesteigerte Pflicht der Klägerin zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten, die andererseits jedoch in der unzumutbaren Beeinträchtigung der Interessen der übrigen Mieter des Hauses ihre Grenzen findet.
Das Räumungsverlangen der Klägerin ist nicht rechtsmißbräuchlich. Nach den unter Einschaltung der Sozialstation B., des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes N. und der Altenhilfe beim Sozialamt B. geführten Erörterungen vor dem Einzelrichter ist die Prognose über die weitere Entwicklung in den Verhältnissen der Beklagten ungewiß. Einerseits wurde das Bemühen der Beklagten erkennbar, ihre Wohnung zukünftig in einem der Klägerin und vor allen den Nachbarn der Beklagten zumutbaren Zustand zu erhalten, dessen Erfolge sich andererseits jedoch nicht überprüfbar nachweisen ließen. Die vielfältigen Bemühungen, der Beklagten bei der Bewältigung der Probleme mit ihrer Wohnung zu helfen, setzen deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit voraus. Die Beklagte ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß sie sich zur Erhaltung ihrer Wohnung den Hilfsangeboten nicht verschließen sollte. Angesichts der insgesamt derzeit nicht absehbaren weiteren Entwicklung stellt das Räumungsverlangen der Klägerin jedenfalls bei ihrer gleichzeitig im Termin v. 24.3.1987 erklärten Bereitschaft, aus dem Räumungsurteil nicht zu vollstrecken, wenn und solange sich ergibt, daß die Verwahrlosungstendenz in den Verhältnissen der Beklagten gebremst bleibt, insbesondere, was den ordentlichen und sauberen Zustand der Wohnung einschließlich des Ausschlusses etwaiger Geruchsbelästigungen anbelangt, keine unzulässige Rechtsausübung dar.
Der Beklagten war eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO zu gewähren. Wegen der Dauer des Mietverhältnisses von nunmehr 55 Jahren, des Alters der Beklagten, die im 9. Lebensjahrzehnt steht und ihres erkennbaren Bemühens um eine Besserung der Zustände in ihrer Wohnung, ist es gerechtfertigt, die nach dem Gesetz längstens mögliche Räumungsfrist zu gewähren.
Fundstellen