Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine fristlose Kündigung wegen unsubstantiiertem und beleidigendem Vortrag des Mieters im Räumungsprozeß

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Verteidigt sich die Mieterin im Räumungsrechtsstreit mit der Argwöhnung, der Vermieter betreibe den Rechtsstreit aus Frustration, rechtfertigt dieses Verteidigungsvorbringen keine fristlose Kündigung.

(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)

2. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit in BGB § 554a erfordert eine Bewertung der Dringlichkeit des Räumungsinteresses, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vergleiche LG Mannheim, 1979-06-13, 4 S 13/79, WuM 1981, 17).

 

Tatbestand

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel weiter, eine Abweisung der Räumungsklage zu erreichen. Sie ist der Auffassung, daß weder die fristlose Kündigung v. 26.5. noch die v. 25.11.1986 gerechtfertigt seien. Ihre Wohnung sei nicht in einem chaotischen Zustand gewesen ... Auch sei es nicht richtig, daß sie durch das Abschrauben ihrer Sprechanlage in der Wohnung die gesamte Sprechanlage des Hauses unbrauchbar gemacht habe. Daß der Kläger ihr sexuell nahe getreten sei, folge aus den Angaben des vom AG vernommenen Zeugen, der, entgegen der Auffassung des AG, durchaus glaubhafte Angaben gemacht habe. Die angeblichen Verstöße der Beklagten gegen die Hausordnung rechtfertigten eine fristlose Kündigung nicht.

Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, daß die Kündigung v. 26.5.1986 gerechtfertigt gewesen sei ... Mit den im Einspruch gegen das Versäumnisurteil v. 7.7.1986 enthaltenen wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen, der Kläger sei der Beklagten sexuell nahe getreten und habe sie bedroht, sei das Vertrauensverhältnis endgültig zerrüttet worden und die fristlose Kündigung v. 25.11.1986 gerechtfertigt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist auch begründet und führt zur Aufhebung des Versäumnisurteils des AG sowie des Endurteils des AG v. 12.1.1987 und zur Klageabweisung.

Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist gem. § 554a BGB zum einen eine schuldhafte Vertragsverletzung durch den Mieter, zum anderen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter. Selbst wenn man davon ausgeht, daß das tropfende Eckventil von der Beklagten nicht rechtzeitig gemeldet wurde und dadurch Feuchtigkeit in der danebenliegenden und darunterliegenden Wohnung auftrat, man also einen schuldhaften Verstoß gegen die mietvertragliche Verpflichtung als gegeben ansieht, so ist diese allein noch kein Grund für eine fristlose Kündigung. Soweit der Kläger durch dieses Verhalten der Beklagten zu Schaden gekommen ist, mag er die ihm zustehenden Schadensersatzansprüche ihr gegenüber geltend machen. Dies gilt auch für die möglicherweise durch das Verhalten der Beklagten verursachte Störung in der Haussprechanlage. In beiden Fällen führt das Verhalten der Beklagten noch nicht zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses mit ihr, zumal sie ja bereits seit 1978 die Wohnung bewohnt. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit erfordert eine Bewertung der Dringlichkeit des geltend gemachten Räumungsinteresses, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vgl. LG Mannheim WM 1981, 17). Nachdem dem Kläger hinsichtlich entstandener Schäden, welche die Beklagte verursacht und verschuldet hat, Schadensersatzansprüche zustehen, ist er hierdurch ausreichend geschützt. Ohne eine Abmahnung, bezogen auf weitere künftige derartige Vorfälle, hält die Kammer die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kläger noch nicht für unzumutbar.

Soweit der Kläger seine außerordentliche Kündigung auf die im Einspruchsschreiben der Beklagten, eingegangen beim AG am 25.7.1986, nach klägerischem Vortrag wahrheitswidrigen, enthaltenen Tatsachenbehauptungen stützt, rechtfertigen auch diese nicht eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Inwieweit hier überhaupt eine unwahre Tatsachenbehauptung vorliegt, kann dahinstehen. Das AG hat dem Zeugen zwar nicht geglaubt. Dadurch wurde aber auch das Gegenteil nicht bewiesen.

Der Beklagten steht darüber hinaus aber auch insoweit ein Rechtfertigungsgrund zur Seite in Gestalt der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Mit dem Versäumnisurteil bestand für sie die Gefahr, ihre Wohnung und damit ihren Lebensmittelpunkt zu verlieren. In dem Einspruchsschreiben sind Schlußfolgerungen enthalten, welche die Beklagte aus dem Verhalten des Klägers gezogen hat, der eine, letztlich nicht gerechtfertigte, fristlose Kündigung ausgesprochen hat und damit, ihrer Auffassung nach, angezeigt hat, daß er die Beklagte als Mieterin auf keinen Fall mehr behalten will. Hier darf ihre Erregung und Angst, die Wohnung zu verlieren, nicht außer acht gelassen werden. Auch die Aussage des Zeugen, die, wenn auch nicht als glaubhaft angesehen, doch auch nicht den Schluß auf den Beweis des Gegenteils zuläßt, kann in bezug auf § 193 StGB nicht unberücksich...

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