Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit des in Anspruch genommenen Eigengeldes
Leitsatz (redaktionell)
Der Gefangene erwirkt zwar gegen die verwaltende Justizvollzugsstelle einen Auszahlungsanspruch, der aber mit der Forderung auf Zahlung des fortlaufenden Arbeitsentgelts nicht mehr identisch ist. Das Eigengeld ist damit mit Beschränkungen des § 51 Abs. 4 StVollzG frei pfändbar.
Normenkette
StVollzG §§ 47, 51
Verfahrensgang
AG Hannover (Entscheidung vom 04.07.1994; Aktenzeichen 701 M 618/91) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.400,00 DM
Gründe
Der Antrag des Schuldners vom 25.08.1994 auf Freigabe des Eigengeldes nach Maßgabe der §§ 850 ff. ZPO ist als sofortige Beschwerde gegen den oben bezeichneten Beschluß anzusehen. Diese ist mangels Zustellungsnachweises auch zulässig. Das Rechtsmittel hat jedoch sachlich keinen Erfolg. Zutreffend hat das Amtsgericht die Pfändbarkeit des hier von der Gläubigerin in Anspruch genommenen Eigengeldes des Schuldners bejaht und zugleich einen besonderen Pfändungsschutz abgelehnt. Die Gläubigerin hat den Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des bereits gutgeschriebenen Eigengeldes und künftig noch gutzuschreibenden Geldes mit Ausnahme des nach § 51 Abs. 4 StVollzG unpfändbaren Teils des daraus zu bildenden Überbrückungsgeldes gepfändet. Dies ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG Berlin, Rpfleger 92/128; LG Karlsruhe, NSTZ 82/263; Stöber, Forderungspfändung, 10. Aufl. Rdn. 134; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 51. Aufl., 7 zu § 850; Zöller, ZPO, 17. Aufl. § 829 Rdn. 33; Münchener Kommentar ZPO 1992, 23 zu § 850; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 5. Aufl. 1991, 1 zu § 52; Schwind/Böhm, StVollzG 1983; 7 zu § 52; a.A. LG Itzehoe, Jur.Büro 91/872).
Dieser gepfändete Auszahlungsanspruch unterliegt auch nicht insoweit den Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. ZPO als das Eigengeld aus gemäß § 52 StVollzG gutgebrachten Bezügen des Gefangenen (§ 43 StVollzG) gebildet worden ist oder gebildet wird. Zwar ist das Arbeitsentgelt des Gefangenen selbst – wenn überhaupt – nur im Rahmen des § 850 ZPO pfändbar. Mit der Gutschrift als Eigengeld ist es aber von dem Berechtigten zur grundsätzlich freien Verfügung eingenommen, so daß auch die Schutzvorschrift des § 850c ZPO nicht mehr zum Zuge kommen kann.
Der Gefangene erwirkt zwar gegen die verwaltende Justizvollzugsstelle einen Auszahlungsanspruch, der aber mit der Forderung auf Zahlung des fortlaufenden Arbeitsentgelts nicht mehr identisch ist. Die Situation ist insoweit vergleichbar der eines in Freiheit befindlichen Schuldners, dessen Arbeitseinkommen auf seinem Bankkonto gutgeschrieben wird. Auch der Schutz dieses Bankguthabens richtet sich nicht nach § 850c ZPO. Es gilt dann vielmehr nur noch der Pfändungsschutz nach § 850h ZPO, wonach auf Antrag des Schuldners eine Aufhebung der Pfändung durch das Vollstreckungsgericht insoweit erfolgt, als das Guthaben dem der Pfändung nicht unterworfenen Teils der Einkünfte für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahltag entspricht. Eine solche Regelung ist aber im StVollzG für das Eigengeld des Gefangenen nicht getroffen. Es ist damit im Rahmen der oben aufgezeigten Beschränkungen des § 51 Abs. 4 StVollzG frei pfändbar (vgl. LG Berlin, a.a.O.; Stöber, a.a.O. Rdn. 135, 138; Baumbach/Lauterbach, a.a.O.; a.A. LG Karlsruhe NStZ 90/56; LG Arnsberg, Rpfleger 91/520). Auch eine entsprechende Anwendung des § 850h ZPO scheidet aus, weil das „Eigengeldkonto” den Besonderheiten des Strafvollzuges Rechnung trägt aber nicht den Bedürfnissen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dienen soll. Es sind im übrigen auch keine schutzwürdigen Interessen des Gefangenen verletzt. Der überwiegende Teil des Arbeitsentgelts steht ihm als Hausgeld zur Verfügung (§ 47 StVollzG). Für die erste Zeit nach der Entlassung steht ihm das Überbrückungsgeld zu, das aus dem Arbeitsentgelt gebildet wird und unpfändbar ist (vgl. BVerfG NJW 82/1583). Während der Pause des Freiheitsentzuges selbst wird der Gefangene versorgt und verpflegt.
Auch aus § 765a ZPO läßt sich nicht generell der Schluß ziehen, daß das aus Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld nur in den Grenzen des § 850c ZPO pfändbar ist. Erforderlich ist insoweit stets eine an den konkreten Umständen des Einzelfalles orientierte Beurteilung der Frage, ob sich die Pfändung als mit den guten Sitten nicht vereinbar darstellt. Dies ist hier zu verneinen. Der Schuldner hat nämlich insoweit konkrete besondere Bedürfnisse nicht dargetan. Soweit er geltend macht, wegen der Pfändung des gesamten Eigengeldes verbleibe ihm nichts für private Aufwendungen wie Telefonkarte usw. ist, wie bereits erwähnt, darauf hinzuweisen, daß ihm gemäß § 47 Abs. 2 StVollzG von den Bezügen von ca. 200,00 DM zwei Drittel monatlich als Hausgeld für den Einkauf oder zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung stehen. Der Schuldner hat nichts dazu dargetan, daß und welche umfangreiche und kostenträchtige Telefonate oder anderweitige Ausgaben er darüber hinaus nachweislich täti...