Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgeschobener Eigenbedarf
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Ist auffallend, daß nach Erwerb eines Hauses in der Zwangsversteigerung über die Mieter eine vom Vermieter angestrengte Prozeßflut von Mieterhöhungsklagen und Kündigungsklagen hereinbricht, so liegt die Wertung nahe, daß es dem Vermieter hier nicht um den geltend gemachten Eigenbedarf, sondern in erster Linie darum geht, für die Mietwohnungen höhere Mieteinnahmen zu erzielen.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis. Dieses haben die Kläger mit Eigenbedarfsbegründung gekündigt. Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen.
Die Kläger machen geltend, sie bewohnten derzeit lediglich eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung in der Größe von 64 qm. Die Wohnung der Beklagten sei 77 qm groß. In drei Etagen, mit Ausnahme des ersten Geschosses, befänden sich jeweils 3 3-Zimmer-Wohnungen über 75 bzw. 77 qm und eine 2-Zimmer-Wohnung mit 62 qm. Die 77-qm-Wohnungen lägen jeweils zwischen der Mitte des Stockwerkes. Im ersten Stock wohne eine junge Familie mit 2 kleinen Kindern, im zweiten Stock die Beklagten mit ihrem bereits 16 Jahre alten Kind. Die Wohnung im dritten Stock käme deshalb für die Kläger nicht in Betracht, weil die Mutter bzw. Schwiegermutter aufgrund ihrer altersbedingten Gebrechlichkeit nur schlecht Treppen steigen könne. Außerdem hätten die Kläger noch eine 13jährige Tochter. Die Wohnung im Erdgeschoß käme nicht in Betracht, weil es dort lediglich eine 3-Zimmer-Wohnung mit 75 qm und eine 1-Zimmer-Wohnung mit 38 qm und ein Ladengeschäft gäbe.
Die Beklagten sind der Meinung, daß eine Eigenbedarfssituation nicht vorliege. Sie sind zudem der Meinung, daß die Kündigung erfolgt sei, weil zwischen den Parteien Spannungen bestünden.
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen. Die Kläger könnten u.a. einen vernünftigen Raumbedarf nur mit einer 4-Zimmer-Wohnung befriedigen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Ihr muß der Erfolg aber versagt bleiben, weil das angefochtene Urteil im Ergebnis zutreffend angenommen hat, daß die Kläger das Mietverhältnis der Parteien nicht wegen Eigenbedarfs gem. § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB durch die Kündigung v. 22.9.1988 beenden konnten.
Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger - wie der Amtsrichter meint - nicht hinreichend dargetan haben, daß bei ihnen die in § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB vorausgesetzte Eigenbedarfssituation tatsächlich gegeben ist. Ob diese Ansicht des angefochtenen Urteils zutreffend ist, könnte vor allem nach dem Beschluß des BVerfG v. 14.2.1989 (WM 1989, 114) zweifelhaft sein.
Ein weiteres Erfordernis für den Erfolg einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung ist es indessen, daß der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, selbst in die Wohnung einzuziehen (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, 6. Aufl., 1988, B 619), und die Kündigung nicht nur ein vorgeschobener Grund ist, um die Räumung zu erreichen (vgl. Voelskow in Münch.Kommentar, 2. Aufl. 1988, § 564b Rn. 51; RGRK-Gelhaar, 12. Aufl. 1982, § 564b Rn. 20).
Der unstreitige Vortrag der Parteien in beiden Instanzen und die Erörterung der Sache mit den Klägern und der Beklagten zu 2. im Termin v. 21.7.1989 haben eine Reihe von Anhaltspunkten ergeben, die der Kammer die Überzeugung vermitteln, daß die Kläger in Wahrheit nicht beabsichtigen, in die Wohnung der Beklagten einzuziehen:
Nach dem Vortrag der Kläger war es so, daß sie das Hausgrundstück im Herbst 1987 im Wege der Zwangsvollstreckung erworben haben. Soweit die von ihnen geltend gemachte Eigenbedarfslage schon zu jenem Zeitpunkt gegeben war, wäre es ihnen somit bereits zu diesem Zeitpunkt ein leichtes gewesen, dem durch Ausübung des ihnen zustehenden Sonderkündigungsrechts gem. § 57a ZVG abzuhelfen. Dann aber könnte der Ausspruch der Kündigung v. 22.9.1988 schon aus diesem Grunde gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, weil nämlich auch dem Vermieter die Berufung auf eine Eigenbedarfskündigung versagt ist, der einen Mietvertrag mit einem Mieter abschließt, obwohl schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Eigenbedarfssituation vorliegt (allgemeine Ansicht; vgl. nur LG Braunschweig WM 1987, 131; LG Bremen WM 1985, 266; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., B 634; bestätigt durch BVerfG WM 1989, 114 = NJW 1989, 970, 972).
Einen Verstoß gegen Treu und Glauben sieht die Kammer aber zumindest darin, daß die Kläger zunächst gegenüber den Beklagten versucht haben, den Mietzins für die von ihnen inne gehabte Wohnung zu erhöhen, und nun, nachdem dieses fehlgeschlagen ist, die Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen (vgl. zur ähnlichen Vorgehensweise LG Köln WM 1974, 9; AG München WM 1973, 6; RGRK-Gelhaar, a.a.O., § 564 Rn. 20).
Nach den Erläuterungen des Klägers zu 1. haben die Kläger nach dem Erwerb des Hauses versucht, für alle Wohnungen Mieterhöhungen durchzusetzen. Soweit dies nicht zu einvernehmlichen Regelungen mit den Mietern geführt hat, sind entsprechende förmliche Erhöhungsverlangen, gestützt durch ein den ...