Leitsatz (amtlich)

1. Zum Verdienstausfall eines am Berufsanfang stehenden selbständigen Architekten oder Ingenieurs.

2. Für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit eines Architekten oder Ingenieurs sind die Leistungsbilder der HOAI ohne weiteres kein Maßstab, um feststellen zu können, welche beruflichen Tätigkeiten der betroffene Bauingenieur tatsächlich zu erfüllen hat. Denn was ein Architekt oder Ingenieur vertraglich schuldet und damit als Auftragnehmer jeweils zu leisten hat, ergibt sich aus den geschlossenen Verträgen, in der Regel also aus dem Recht des Werkvertrags. Die HOAI enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen.

3. Für die Berechnung des Verdienstausfalls eines Architekten oder Ingenieurs kommt es nicht darauf an, wie hoch der durchschnittliche Verdienst in der betr. Berufsgruppe in Deutschland war. Maßgeblich ist der konkrete Verdienstausfall in dem Büro des verletzen Architekten oder Ingenieurs.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Streitwert: 1.428.500,00 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz infolge eines Verkehrsunfalls.

Der am 08.08.1950 geborene Kläger wurde am 25.02.1989 bei einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagte zu 100% einstandspflichtig ist, schwer verletzt. Sie erbrachte in den folgenden Jahren erhebliche Zahlungen von zumindest - so die Berechnung des Klägers - 668.803,18 EUR (Bl. 278 d.A. - gem. Bl. 283 ff., 288 d.A. waren es 681.365,83 EUR). Der Kläger arbeitete vor dem Unfall als Bauingenieur. Nach dem Unfall versuchte er sich zunächst wiederum als selbständiger Bauingenieur (Bl. 5/6 d.A.) und nahm ab 1993 eine Tätigkeit als angestellter Prüfingenieur bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hannover auf, die er bis 2001 ausübte, ab 1995 in Teilzeit. Hier verdiente er netto etwa 40.000,- DM und ab 1995 noch 24.000 DM (Bl. 6 d.A.). Der Kläger erlitt durch den Unfall - der zunächst lebensbedrohlich verlief und zweimal wiederbelebende Maßnahmen erforderte, die Behandlung im Krankenhaus erstreckte sich insgesamt über 11 Wochen - u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Milz- und Gallenblasenruptur, einen Leberriss, Becken- und Rippenfrakturen, eine Hüftkopfnekrose links als Folge einer Hüftgelenksluxationsfraktur (Bl. 108/109 d.A.); das linke Hüftgelenk ist versteift (Bl. 583, 645 d.A). Dazu kommen eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im linken Kniegelenk mit Muskelatrophie dort (Bl. 109/110 d.A.) sowie im Bereich des rechten Sprunggelenks deutliche Bewegungseinschränkungen des oberen und unteren Sprunggelenks als Folge einer articulären Calcaneusfraktur rechts bei dem Unfall. Im fachchirurgischen Gutachten der Prof. T./Dr. S. wurde dem Kläger eine MdE ab 1990 von 60% attestiert (Bl. 115 d.A.), auf psychosomatischem Gebiet von 30% (Bl. 126 d.A.). Es wurde eine Gesamt-MdE von 70% angenommen (Gutachten Prof. L./Dr. Sa., Bl. 126 d.A.). Im Jahr 2004 wurde eine Gesamt-MdE von 80% geschätzt (Stellungnahme Prof. K./Prof. W. an den Kläger vom 24.06.2004, Bl. 128 d.A.). In den im Verlauf dieses Rechtsstreits eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. Dö. und Prof. Dr. Kr. wird seit dem Unfall eine volle Erwerbsunfähigkeit angenommen (Bl. 647, 671 d.A.).

Der Kläger hält die von der Beklagten erhaltenen Zahlungen einschließlich der weiter gezahlten vierteljährlichen Entschädigung von 11.004,00 EUR (Bl. 4 sowie Bl. 235 d.A.) für ungenügend. Er meint, auch die erhaltenen Zahlungen von 303.083,81 EUR auf den Verdienstausfall, 71.580,86 EUR auf das Schmerzensgeld, 108.300,00 EUR auf unfallbedingten Mehraufwand, 84.709,32 EUR für Hausumbau, Fahrtkosten, Arbeitsmittel etc. und darüber hinaus 101.129,19 EUR zur freien Verrechnung (vgl. Bl. 278 d.A.) seien unzureichend. Sein Gesamtschaden liege im Bereich von 2,1 Millionen Euro (Bl. 4 d.A.). Er behauptet, infolge des Unfalls sei er vollständig erwerbsunfähig geworden. Dass er - unstreitig - nach dem Unfall wieder in seinem früheren Beruf als Bauingenieur gearbeitet hat, sei überobligatorisch gewesen (Bl. 7 d.A.). Diese Tätigkeit sei spätestens ab dem 01.01.2001 unzumutbar gewesen (Bl. 7 d.A.). Er habe im Jahr 1988 Nettoeinkünfte von 52.599 DM - also in Höhe von etwa 27.000 EUR - gehabt (Bl. 10 d.A.). Damals habe es aber Angebote anderer Ingenieurbüros gegeben, wie z.B. von der Sozietät "Konstruktiv" Dr.-Ing. K.L. F. in Hannover oder dem Büro M. (Bl. 10 d.A.). Es habe "die Möglichkeit" bestanden, "mit dem Zeugen K." (einem "voraussichtlichen Büropartner", Bl. 11 d.A.) "zu überlegen, ob sie zusammen das Büro übernehmen" (Bl. 441 d.A.). Auch die "geschäftlichen Kontakte" zur Sozietät Konstruktiv Dr.-Ing. F. seien bereits "so intensiv" gewesen, "dass ein Einstieg des Klägers zum damaligen Zeitpunkt möglich gewesen wäre" (Bl. 442 d.A.). Dies hätte ihm Verdienstmöglichkeiten eröffnet, die "weit über denen...

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