Leitsatz (amtlich)
Verfahrenshandlungen können ausnahmsweise dann angefochten werden, wenn die negativen Folgen für den Betroffenen besonders schwer wiegen, etwa wenn Verfahrenshandlungen in die materielle Rechtsposition des Betroffenen eingreifen. Dies kann der Fall sein, wenn ein Vorhalt bzw. ein Vermerk über den später erlassenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid hinausgeht und in materielle Rechte des Antragsteller im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - Einflussnahme des Dienstaufsichtführenden auf die Reihenfolge der Fallbearbeitung wegen Eilbedürftigkeit eingreift.
Nachgehend
Tenor
Es ist wird festgestellt, dass der Vermerk der Präsidentin des Oberlandesgerichts K. vom 12.10.2011 und dessen Übergabe am 18.10.2011 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 insoweit unzulässig sind, als dem Antragsteller vorgeworfen wird, die ihm zugeschriebenen Verfahren trotz erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit nicht bearbeitet zu haben; im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 3/ 4 und der Antragsgegner 1/4.
Tatbestand
Der Antragsteller ist Richter am Oberlandesgericht K.. Mit seinem Antrag wendet er sich gegen einen Vermerk vom 12.10.2011.
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts K. ordnete mit Verfügung vom 08.06.2011 eine Sonderprüfung an, nachdem sie einen Hinweis des Vorsitzenden des XXX. Zivilsenats ... erhalten hatte. Nach diesem Hinweis soll im Respiziat XXXa (nach Richterwechsel umbenannt in XXXd) des Antragstellers bei seinem Ausscheiden aus dem XXX. Zivilsenat zum 01.04.2011 eine hohe Zahl unzureichend bearbeiteter Verfahren vorhanden gewesen sein.
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts K. hat am 18.10.2011 dem Antragsteller die Verfügung vom 12.10.2011 übergeben, die auszugsweise wie folgt lautet:
1.)
Vermerk
"dass ROLG X in der Zeit seiner Zugehörigkeit zum XXX. Zivilsenat ihm dort zugeschriebene Verfahren in großer Zahl zum Teil über Jahre und teilweise trotz erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit nicht oder jedenfalls nur völlig unzureichend bearbeitet hat. Die Einzelergebnisse wurden vom Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... für 48 gravierende Fälle dokumentiert.
In dem Zeitraum von 2008-2010 hat ROLG X lediglich zum Abschluss gebracht:
|
U-Verfahren |
W-Verfahren |
2008 |
43 |
23 |
2009 |
58 |
22 |
2010 |
48 |
34 |
Diese Erledigungsleistung entsprach nur etwa 68% der von den Richterinnen und Richtern des Oberlandesgerichts K. in dem genannten Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren. Der Bestand an anhängigen Verfahren im Respiziat des ROLG X wuchs deshalb um 67% von 76 offenen Verfahren zum Ende des Jahres 2008 auf 127 offene Verfahren zum Ende des Jahres 2010 an.
Auch nach einem Wechsel in den XXX. Zivilsenat zum April 2011 gelingt es ROLG X nicht, in quantitativer Hinsicht auch nur annähernd durchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Dies hat zur Folge, dass im Respiziat des Richters im XXX. Zivilsenat zwischen April und Oktober 2011 ein Zuwachs von 32 im Bestand an anhängigen U-Verfahren zu verzeichnen ist. Der Zuschreibung von 31 U-, 15 W- und 6 AR-Sachen steht in dem Zeitraum 01.04.-10.11.2011 eine Erledigung von 9 U-, 11 W- und 4 AR-Sachen gegenüber.
Durch die unzureichende Erledigung der dem Richter durch das Präsidium des Oberlandesgerichts K. und die senatsinterne Verteilung übertragenen Amtsgeschäfte hat der Richter neben dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf ein faires und zügiges Verfahren auch deren Recht auf eine wirksame Beschwerde verletzt. Soweit er aus nicht mitgeteilten Gründen nicht in der Lage war, die ihm übertragenen Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen, hat er seine Verpflichtung zur Anzeige dieser Umstände gegenüber dem Präsidium verletzt und diesem damit die Möglichkeit genommen, durch eine Änderung der Geschäftsverteilung auf eine unverzögerte Erledigung der Rechtsprechungsaufgabe hinzuwirken.
Es ist beabsichtigt, dem Richter im Rahmen der Dienstaufsicht der Präsidentin des Oberlandesgerichts K. die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte gem. § 26 Abs. 2 DRiG vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen."
Dem Antragsteller wurde in der Verfügung eine Frist zur Stellungnahme bis zum 04.11.2011 gesetzt. Nach Verlängerung der Stellungnahmefrist bat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers um ergänzende Auskunft, bei der hinsichtlich des Umfangs des Auskunftsbegehrens auf Anlage K2 Bezug genommen wurde. Mit Schreiben vom 24.02.2012 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Vermerk vom 12.10.2011 mit der Begründung ein, der Vermerk enthalte gegenüber dem Bescheid vom 26.01.2012 selbständige Rechtsverletzungen.
Mit Bescheid vom 26.01.2012, der mit "Vorhalt und Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRG" überschrieben ist, hatte die Präsidentin des Oberlandesgerichts dem Antragsteller unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerwG (Beschluss v. 21.09.1982 - 2 B 12/82, NJW 1983, 6...