Leitsatz (amtlich)

1.) Der in § 26 Abs. 2 DRiG vorgesehene Vorhalt einer verzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte stellt grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar.

2.) Die von einem Richter zu erbringende Arbeitsleistung orientiert sich pauschalierend an dem Arbeitspensum, das ein durchschnittlicher Richter vergleichbarer Position in der für Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewältigt. Die von einem voll beschäftigten Richter aufzubringende Arbeitszeit ist damit pauschalierend an dem Arbeitserfolg (Durchschnittspensum) vergleichbarer Richter auszurichten.

3.) Die Erledigungszahlen des Richters haben sich an dem Durchschnittspensum unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu orientieren. Wie viel Fälle ein Richter zu erledigen hat, lässt sich somit nicht abstrakt beurteilen.

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Antragsteller wurde im November 2002 zum Richter am Oberlandesgericht bei dem Oberlandesgericht K. ernannt. Das Präsidium teilte ihn zunächst dem XXX. Zivilsenat in K. zu. Am 01.07.2007 wechselte er in den XXX. Zivilsenat in F. Das Präsidium des Oberlandesgerichts K. wies den Antragsteller zum 01.04.2011 dem XXX Zivilsenat in F. zu.

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts hat am 18.10.2011 dem Antragsteller die Verfügung vom 12.10.2011 übergeben, die auszugsweise wie folgt lautet:

1.) Vermerk

"dass ROLG X in der Zeit seiner Zugehörigkeit zum XXX. Zivilsenat ihm dort zugeschriebene Verfahren in großer Zahl zum Teil über Jahre und teilweise trotz erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit nicht oder jedenfalls nur völlig unzureichend bearbeitet hat. Die Einzelergebnisse wurden vom Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts XXX für 48 gravierende Fälle dokumentiert.

In dem Zeitraum von 2008 - 2010 hat ROLG X lediglich zum Abschluss gebracht:

U-Verfahren

W-Verfahren

2008

43

23

2009

58

22

2010

48

34

Diese Erledigungsleistung entsprach nur etwa 68% der von den Richterinnen und Richtern des Oberlandesgerichts K. in dem genannten Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren. Der Bestand an anhängigen Verfahren im Respiziat des X wuchs deshalb um 67% von 76 offenen Verfahren zum Ende des Jahres 2008 auf 127 offene Verfahren zum Ende des Jahres 2010 an..."

Mit Bescheid vom 26.01.2012, der mit "Vorhalt und Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG"" überschrieben ist, teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts dem Antragsteller unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerwG (Beschluss v. 21.09.1982 - 2 B 12/82, NJW 1983, 62) mit, dass der von einem Richter geschuldete Einsatz nach dem durchschnittlichen Erledigungspensum vergleichbarer Richterinnen und Richter zu bemessen sei. Dieses Durchschnittspensum unterschreite der Antragsteller seit Jahren ganz erheblich. Das Erledigungspensum liege jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche. Im Jahr 2011 habe er sogar weniger Verfahren erledigt, als dies der durchschnittlichen Leistung einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspreche.

In dem Bescheid ist folgende Übersicht enthalten:

U-Verfahren

Erledigungen

Offene Verfahren

Überjährige Verfahren

2008

ROLG X

43

76

23

2009

ROLG X

58

98

23

2010

ROLG X

48

127

60

2011

ROLG X

37

88 61,6

22 14,3

Nach § 26 Abs. 2 DRiG hielt die Präsidentin des Oberlandesgerichts dem Antragsteller deshalb die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahnte ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte. Sie wies weiter darauf hin, dass eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit mit dieser Maßnahme der Dienstaufsicht nicht verbunden sei. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die monatelange Nichtbearbeitung von Teilbereichen eines richterlichen Dezernats ebenso beanstandet werden könne wie ein unbefriedigendes Arbeitspensum eines Richters (BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil v. 22.09.1998 - RiZ 2/97, DRiZ 1999, 141, 144).

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.02.2012 Widerspruch ein.

Am 27.01.2012 legte der Vorsitzende des XXX. Zivilsenats, Herr XXX, der Präsidentin des Oberlandesgerichts die Erledigungsstatistik für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2011 vor.

Diese listet folgendes auf:

"Dr. XXX vom 01.01. bis 31.12.:

Zuteilung 76 Verfahren davon 2 Arzthaftung, Bau - 76 Erledigungen

Richterin am LG XXX mit 0,5 AKA:

Zuteilung 38 Verfahren davon 6 Arzthaftung, Bau - 32 Erledigungen,

Richter am LG XXX vom 01.01. bis 31.03.

Zuteilung 17 Verfahren 18 Erledigungen

Zum 31.03.2011 waren in diesem Rezipiat 40 Verfahren offen

Antragsteller vom 01.04. bis 31.12.

Zuteilung 64 Verfahren bei 18 Erledigungen und einem Endbestand von 86."

Der Antragsteller erledigte im Zeitraum 01.04 - 31.12.2011 weiter 20 W-Verfahren und 7 Gerichtsstandsbestimmungsverfahren (AR). Zum 01.01.2012 entlastete ihn der 9. Zivilsenat von der Bearbeitung der W- und AR-Verfahren.

Zur Begründung seines Widerspruchs trug der An...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge