Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
AG Kempten (Urteil vom 02.04.1992; Aktenzeichen C 52/92) |
Tenor
1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Zweigstelle Sonthofen – vom 02.04.1992 aufgehoben.
2) Die Klage wird abgewiesen.
3) Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das der Räumungsklage der Kläger ganz überwiegend stattgebende Endurteil des Amtsgerichts Kempten – Zweigstelle Sonthofen – vom 02.04.1992 ist begründet. Die am 11.01.1992 verfrüht erhobene Räumungsklage war nämlich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zur Zeit des Erlasses des Ersturteils (02.04.1992) nicht nach § 259 ZPO als Klage auf künftige Leistung zulässig; sie ist auch im Berufungsrechtszug bis zur Entscheidungsreife des Rechtsstreits nicht zulässig geworden.
1. Die Räumungsklage kann, wie im Berufungsrechtszug nicht mehr zweifelhaft, nur auf die Eigenbedarfskündigung der Kläger vom 08.10.1991 gestutzt werden. Da die Beklagten mietvertraglich seit dem 06.08.1982 ununterbrochen in der (unstreitig) selben Wohnung der Kläger im Anwesen Maximilianstraße 6 in Oberstdorf wohnen, betragt die Kündigungsfrist nach 9-jähriger Mietzeit gem. § 565 Abs. 2 Satz 2 BGB 9 Monate und begann nicht schon im Oktober 1991, sondern erst im November 1992 zu laufen, weil die Kündigung nicht spätestens am 03. Werktag des Oktober 1991, sondern danach (08.10.1991) erfolgte. Die Kündigungsfrist endet damit erst am 31.07.1992, wovon das Amtsgericht zutreffend ausgegangen ist.
2. Grundsätzlich ist die Räumungsklage aufgrund ordentlicher Kündigung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zulässig; vorher ist sie es nur unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO (vgl. Schmidt-Futterer, Wohnraumschutzgsetze, 6. Aufl., Rd-Nr. B 751). An diese Voraussetzungen sind nach Rechtsprechung und Literatur strenge Maßstabe anzulegen. Sie sind im Falle einer Räumungsklage nur dann gegeben, wenn der Mieter den vom Vermieter geltend gemachten Kündigungsgrund – außergerichtlich oder im Prozeß – ernsthaft bestreitet oder sich aus sonstigen Gründen positiv die Besorgnis ergibt, daß der Mieter nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht räumen werde. Dafür genügt es allerdings noch nicht, daß der Mieter auf die Kündigung hin schweigt oder pauschal wegen der Wohnungsmarktlage auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung einer Ersatzwohnung hinweist (vgl. Schimdt-Futterer a.a.O. mit weiteren Hinweisen).
Bisher haben die Beklagten weder den Kündigungsgrund (Eigenbedarf) bestritten noch Widerspruch gegen die Kündigung mit Mietfortsetzungsverlangen (§ 556 a BGB) erklärt. Die Kläger konnten auch sonst keine Erklärungen oder ein Verhalten der Beklagten ausreichend dartun, woraus sich ergeben wurde, daß sie nicht gewillt und/oder nicht in der Lage seien, nach Ablauf der Kündigungsfrist zu räumen. Die Kläger können dies auch nicht daraus ableiten, daß die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.1992 vor dem Amtsgericht die Abweisung der ihrer Ansicht nach verfrüht erhobenen Räumungsklage beantragten und darauf hinwiesen, daß sie bisher keine Ersatzwohnung gefunden hatten. Immerhin lief zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfrist noch über 4 Monate lang, und aus ihrem Vorbringen in 1. Instanz – wie auch dem im Berufungsverfahren – ergibt sich nur, daß sie die erhobene Räumungsklage für unzulässig, weil verfrüht, erachten.
3. Die den Beklagten gem. § 556 a Abs. 1 u. Abs. 6 BGB eingeräumte Überlegungsfrist, der Kündigung vom 08.10.1991 zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, ist noch nicht abgelaufen. Vor Ablauf dieser Frist sind die Beklagten nicht gehalten sich darüber zu erklären; aus ihrem Schweigen allein kann nicht auf die Besorgnis geschlossen werden, daß sie nicht rechtzeitig räumen werden (vgl. Schmidt-Futterer a.a.O., Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., V Rd-Nr. 34 und OLG Karlsruhe in Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1983, Seite 253 u. 254, Rechtsentscheid vom 10.06.1983 dort in den Gründen mit weiteren Hinweisen).
3.1 Die Widerspruchsfrist des § 556 a BGB endet im Grundsatz 2 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist (§ 556 a Abs. 6 Satz 1 BGB). Hat jedoch der Vermieter nicht rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt den Mieter gemäß § 564 a Abs. 2 BGB auf die Möglichkeit des Widerspruchs, seine Form und Frist hingewiesen – was hier der Fall ist, denn weder enthalt das Kündigungsschreiben vom 08.10.1991 einen solchen Hinweis noch wurde später einer erteilt –, so kann der Mieter den Widerspruch noch im ersten Termin des Räumungsrechtsstreits erklären (§ 556 a Abs. 6 Satz 2 BGB). Dabei geht das Gesetz davon aus, daß der erste Termin im Räumungsrechtsstreits gewöhnlich nach Ablauf der Kündigungsfrist, jedenfalls aber nach Ablauf der regelmäßigen Widerspruchsfrist des § 556 a Abs. 6 Satz 1 BGB liegt; es ist also eine Verlängerung der Überlegungszeit und ...