Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Tenor
1. Eine Räumungsklage ist vor Ablauf der Widerspruchsfrist (§ 556 a Abs. 6 BGB) zulässig, wenn der Mieter der Kündigung widersprochen hat mit der Begründung, der vom Vermieter angegebene Kündigungsgrund liege nicht vor.
2. Der Vermieter kann ein Mietverhältnis nach § 564 b Abs. 4 BGB kündigen, wenn in einem Haus mit 3 Wohnungen, von denen der Vermieter eine selbst bewohnt, der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses die dritte Wohnung zum Zweck der einheitlichen Nutzung mit der zunächst angemieteten Wohnung hinzugemietet und die beiden Wohnungen nach außen miteinander verbunden hat, auch wenn diese Umbauarbeiten mit vertretbarem Aufwand jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines aus Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß bestehenden Wohnhauses. Im April 1974 mieteten die Beklagten die Wohnung im Obergeschoß. Der Kläger wohnt im Erdgeschoß. Bei Beginn des Mietverhältnisses der Parteien standen die Räume im Dachgeschoß leer. Dort befanden sich vom Treppenhaus durch eine normale Wohnungseingangstür abgetrennt 4 von einem gemeinsamen Flur zugängliche Zimmer sowie ein separates WC und ein Bad. Ursprünglich sollten die 4 Zimmer einem benachbarten Gästehaus im Sommer zur Verfügung stehen. Später wurden sie jedoch als Wohnung vermietet; auf Wunsch der Mieterin wurde in einem der Räume eine Spüle installiert. Als die Dachgeschoßwohnung frei wurde, mieteten die Beklagten diese zum 01.10.1979 hinzu und ließen vor der Wohnung im ersten OG den Glasabschluß so versetzen, daß das weitere Treppenhaus abgeschlossen ist und die Räume im Dachgeschoß und im ersten OG durch eine gemeinsame Eingangstür zu erreichen sind. Der von der Vormieterin als Küche benutzte Raum wurde zu einem Schlafraum umgestaltet. Die Wasserrohre in der Wand wurden verschlossen und die Kunststoffliesen über der ausgebauten Spüle mit Tapete überklebt. Die Beklagten nutzen die Wohnung im OG und das Dachgeshoß als einheitliche Wohnung.
Mit Schreiben vom 27.07.1982 (I 29–31) kündigte der Kläger den Beklagten unter Berufung auf das Sonderkündigungsrecht nach § 564 b Abs. 4 BGB zum 08. August 1983 und wies auf das Widerspruchsrecht gemäß § 556 a BGB hin. Mit Schreiben vom 24. August 1982 traten die Beklagten der Kündigung entgegen mit der Begründung, ein Sonderkündigungsrecht bestehe in einem 3-Familienhaus nicht; maßgebend seien die Verhältnisse z.Zt. des Vertragsschlusses. Vorsorglich widersprachen die Beklagten der Kündigung unter Hinweis darauf, daß sie mit ihren 2 Kindern keine Ersatzwohnung finden könnten.
Das Amtsgericht hat die im September 1982 erhobene Räumungsklage als unzulässig abgewiesen, weil die Widerspruchsfrist nach § 556 a BGB erst am 08.06.1983 ablaufe.
Nach Einlegung der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren vor dem Landgericht weiter.
Das Landgericht … hat dem Senat folgende Rechtsfragen zum Rechtsentscheid vorgelegt:
- Ist eine Räumungsklage vor Ablauf der Widerspruchsfrist unzulässig?
- Kann der Vermieter ein Mietverhältnis nach § 564 b Abs. 4 BGB kündigen, wenn in einem Haus mit 3 Wohnungen, von denen eine der Vermieter selbst bewohnt, der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses die dritte Wohnung hinzugemietet hat und aufgrund gewisser Umbauarbeiten wie Versetzen eines Glasabschlusses die beiden Wohnungen nach außen hin miteinander verbunden hat, wobei diese Umbauarbeiten mit vertretbarem Aufwand jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können?
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Die erste Frage des Vorlagebeschlusses ist einschränkend umzuformulieren wie folgt:
Ist eine Räumungsklage vor Ablauf der Widerspruchsfrist zulässig, wenn der Mieter der Kündigung widersprochen hat mit der Begründung, der vom Vermieter angegebene Kündigungsgrund liege nicht vor?
Nur mit dieser Einschränkung ist die Vorlagefrage entscheidungserheblich. Ersichtlich ist das auch die Auffassung des Landgerichts (s. S. 3 unten des Vorlagebeschlusses). Die Frage der Zulässigkeit einer Räumungsklage vor Ablauf der Widerspruchsfrist, wenn der Mieter sich noch gar nicht geäußert oder sich nur allgemein auf die Sozialklausel berufen hat, stellt sich hier nicht.
Die umformulierte Vorlagefrage wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet; ein Rechtsentscheid ist hierüber soweit ersichtlich noch nicht ergangen. Die Frage hat grundsätzliche Bedeutung, da zu erwarten ist, daß die gleiche Frage auch künftig wiederholt auftreten wird. Auch prozeßrechtliche Fragen, die wie hier eng mit dem Wohnraummietrecht verknüpft sind, können zum Gegenstand eines Rechtsentscheids gemacht werden.
2. Zulässig ist auch die zweite Frage des Vorlagebeschlusses.
Der Formulierung der Vorlagefrage ist zu entnehmen, daß das Landgericht die Räume im Dachgeschoß jedenfalls vor Durchführung der Umbauarbeiten entgegen der Ansicht des Klägers als dritte Wohnung i.S. des § 564 b Abs. 4 BGB bewerten will. Auf der Grundlage dieser als gegeben hinzunehmenden Rechtsauffassung des Lan...