Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
AG Stockach (Aktenzeichen C 126/90) |
LG Konstanz (Aktenzeichen 1 S 253/90) |
Tenor
1. Für die Anwendung des Kündigungsrechts nach § 564 b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BGB kommt es nicht darauf an, daß der Vermieter schon bei Abschluß des Mietvertrages in dem betreffenden Haus wohnte (Anschluß an den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.05.1981 – 4 W-RE 277/81 –, WM 1981, 204 = RES § 564 b BGB Nr. 8 sowie den Rechtsentscheid des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 31.01.1991 – ReMiet 3/90 –, WM 1991, 249).
2. Das Kündigungsprivileg des § 564 b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BGB greift auch dann ein, wenn sich in einem Wohngebäude (ein solches liegt auch vor, wenn bei gemischter Nutzung der Wohncharakter den gewerblichen eindeutig überwiegt) außer zwei Wohnungen, die vom Mieter und Vermieter bewohnt werden, Gewerberäume befinden, falls diese vom Vermieter für eigene betriebliche Belange selbst benutzt werden.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Inhaberin eines in B.-L. gelegenen Früchteverwertungsbetriebes. Auf dessen Gelände steht ein durch einen Anbau mit dem Firmenhauptgebäude verbundenes Haus mit zwei Vollgeschossen und ausgebautem Dach. Im Erdgeschoß dieses Hauses befinden sich neben einer Garage ausschließlich von der Kelterei, also durch die Firma der Klägerin, betrieblich genutzte Räume, nämlich ein Aufenthalts- und zwei Sanitärbereiche für Arbeiter. Das Obergeschoß bewohnt die Klägerin selbst (zwei Zimmer, Küche, Bad), und im Dachgeschoß liegt die vom Beklagten angemietete gleichgroße Wohnung.
Der Beklagte wohnt dort seit September 1973. Den zugrunde liegenden Mietvertrag hatte er mit dem damaligen Firmeninhaber und Eigentümer des Geländes, dem 1977 verstorbenen Ehemann der Klägerin geschlossen, die dessen Alleinerbin wurde und erst 1980 in die Obergeschoßwohnung einzog. Bis dahin, und dies schon seit 1967, hatte der Sohn der Klägerin diesen Bereich bewohnt.
Die Klägerin hat durch Schreiben vom 02.10.1989 das Mietvertragsverhältnis zum Beklagten unter Hinweis auf § 564 b Abs. BGB gekündigt. Die auf Durchsetzung der verlangten Räumung gerichtete Klage wurde vom Amtsgericht mit der Begründung abgewiesen, daß die Voraussetzungen der genannten gesetzlichen Bestimmung deshalb nicht vorlägen, weil neben der Vermieter- und der Mieterwohnung noch ein weiteres, gewerblich genutztes Geschoß vorhanden sei, dessen Räume weder zu der einen noch zu der anderen Wohnung gehörten. Damit könne dahinstehen, ob der Klageanspruch gegebenenfalls auch daran scheitere, daß die Vermieterin erst nach Mietvertragsabschluß selbst in das Haus einzog.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Das mit dem Rechtsmittel befaßte Landgericht Konstanz ist der Auffassung, daß ein Vermieter sich nur dann auf die hier in Rede stehende Ausnahme vom Kündigungsschutz berufen könne, wenn er bereits bei Begründung des zu kündigenden Vertragsverhältnisses selbst im Haus wohnte. Mit dieser Annahme werde jedoch vom Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.05.1981 (RES § 564 b BGB Nr. 8 = WM 1981, 204) abgewichen. Die Kammer hat dem Senat daher mit Beschluß vom 10.05.1991 folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
„Kommt es für die Anwendung von § 564 b Abs. Nr. 1 BGB darauf an, daß der Vermieter schon bei Abschluß des Mietvertrages in dem betreffenden Haus wohnte?”
Das Landgericht ist im übrigen der Meinung, daß der vom Amtsgericht unter Hinweis auf den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 02.11.1981 (RES § 564 b BGB Nr. 12 = WM 1982, 15) zur Begründung der Klageabweisung vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden könne, wonach die Voraussetzungen von § 564 b Abs. Satz 1 BGB wegen des Vorhandenseins eines dritten, gewerblich genutzten Geschosses nicht vorlägen. Das Landgericht sieht sich an einem entsprechenden Ausspruch gehindert, weil es sich dann in Widerspruch zu dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt setzen würde. Dem Senat ist so die weitere Frage gestellt:
„Greift das Kündigungsrecht gem. § 564 b Abs. Nr. 1 BGB ein, wenn sich in dem betreffenden Haus außer zwei Wohnungen, die vom Mieter und Vermieter bewohnt werden, Gewerberäume befinden, wenn diese Gewerberäume vom Vermieter für eigene betriebliche Belange benutzt werden?”
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Gegenstand des Beschlusses der vorlegenden Berufungszivilkammer sind Rechtsfragen, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betreffen (§ 541 ZPO, früher Art. III des 3. Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften).
2. Die gestellten Fragen sind für die zu treffende Berufungsentscheidung erheblich.
Das Landgericht versäumte es allerdings, im Vorlagebeschluß den Sach- und Streitstand darzustellen. Ebensowenig wurde hinreichend deutlich gemacht, von welchen Grundlagetatsachen das Berufungsgericht ausgeht, und warum es seiner Ansicht nach für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die gestellten Fragen ankommt. Dem zu entsprechen ist grundsätzlich geboten (s. O...