Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis: Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Statthaftigkeit der Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Nach einem gerichtlichen Zuständigkeitswechsel ist gegen die zuvor getroffene Anordnung zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nur der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses, nicht aber die Beschwerde statthaft.
2. Ein solcher Zuständigkeitswechsel vom Ermittlungs- auf den Strafrichter tritt mit Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls ein.
Normenkette
StPO §§ 111a, 304
Tatbestand
Im Ermittlungsverfahren wurde dem Beschuldigten durch Beschluss des AG vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen und der Führerschein beschlagnahmt. Am 22.6.2010 erließ das AG einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr. Neben einer Geldstrafe wurde darin die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung von 4 Monaten ab Rechtskraft verhängt. Dagegen legte der Verteidiger Einspruch ein und beantragte unter dem 14.7.2010, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben. Diesen Antrag hat das AG als Beschwerde gegen den Beschl. v. 20.8.2009 ausgelegt und die Akte nach erfolgter Nichtabhilfe an das LG weitergeleitet. Auf Antrag der Verteidigung gab das LG die Sache zur Entscheidung zurück an das Strafgericht.
Entscheidungsgründe
Das LG führte zur Begründung aus, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters nicht (mehr) zulässig sei, nachdem die Zuständigkeit auf das Strafgericht übergegangen sei. In diesem Fall sei ein Rechtsmittel als Antrag auf Aufhebung des Beschlusses umzudeuten. Nichts anderes könne gelten, wenn das Rechtsmittel nach dem Zuständigkeitswechsel eingelegt werde. Hier habe sich die Zuständigkeit auf den Strafrichter mit Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls verschoben. Deshalb habe der Verteidiger zu Recht nicht etwa den Beschwerdeweg gewählt, sondern einen Aufhebungsantrag gestellt. Hierüber habe die Strafrichterin zunächst zu befinden.
Bedeutung für die Praxis:
1.
Die Strafrichterin muss jetzt nachholen, was sie an sich vermeiden wollte: Sie hat über den Antrag durch Beschluss zu entscheiden, der mit Gründen zu verse-hen ist, § 34 StPO. Sie muss sich folglich inhaltlich mit dem Vorbringen der Verteidigung auseinandersetzen und ihre Karten vor der Hauptverhandlung auf den Tisch legen. Danach droht die Beschwerde, also die Überprüfung durch das LG. Ob davon im Interesse des Mandanten Gebrauch gemacht wird, ist eine andere Frage. Manchmal ist es besser, die Sache nicht etwa vom übergeordneten Gericht "festschreiben" zu lassen.
2.
Der Aufhebungsantrag ist stets zulässig. Zusätzlich ist die Beschwerde - nur - statthaft, wenn der Richter seine eigene Entscheidung überprüfen und dem Rechtsmittel ggf. abhelfen kann (wobei es selbstverständlich nicht auf die Person des Richters, sondern auf die funktionelle Zuständigkeit ankommt). Der Unterschied wird für den Betroffenen interessant, solange beide Wege offenstehen. Dann sind die jeweiligen Vor- und Nachteile anzuwägen (zu den Verteidigungsstrategien drohender Fahrerlaubnisentziehung ausführlich GÜBNER/KRUMM NJW 2007, 2801). Für den Aufhebungsantrag wird sich die Verteidigung insbesondere entscheiden, wenn befürchtet werden muss, dass sich der Richter anderenfalls nicht allzu tief mit den vorgebrachten Einwänden beschäftigen und die Arbeit lieber der Beschwerdekammer überlassen wird, indem er kurz und knapp die Nichtabhilfe in der Akte handschriftlich vermerkt. Außerdem wird beim Aufhebungsantrag das faktische Präjudizieren vermieden, weil es der Betroffene in der Hand hält, ob danach eine Entscheidung des LG herbeigeführt wird. Im Zweifels-fall ist der Aufhebungsantrag die bessere Wahl, da die Beschwerde jederzeit nachgeschoben werden kann. RA/FA für Strafrecht Ralph Gübner, Kiel
Fundstellen
Haufe-Index 4584572 |
VRR 2011, 112 |