Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung durch Vermieter: Rechtsirrtum bei divergierender Meinung in Rechtsprechung und Literatur

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Das Verschulden eines Mietrückstands ist aufgrund eines Rechtsirrtums ohne Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ausgeschlossen, wenn eine in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich vertretene Ansicht mit der wohl überwiegenden Meinung geteilt wird und diese Rechtsauffassung zum Zahlungsrückstand Anlaß gibt.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 14. September 1994 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO mit folgender Ausnahme abgesehen:

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 25.10.1994 erklärte die Klägerin erneut die fristlose Kündigung. Daraufhin zahlte die Beklagte Anfang November 1994 an die Klägerin einen Betrag in Höhe 1.201,47 DM. Des weiteren verzichtete sie mit Schreiben vom 1. November 1994 auf die Rückforderung der Mietsicherheit.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Der Klägerin steht ein Räumungsanspruch nicht zu. Der Mietvertrag wurde von der Klägerin nicht wirksam gekündigt.

1. Kündigung:

Die mit Schreiben vom 14. März 1994 erklärte Kündigung ist unwirksam, da kein Kündigungsgrund bestand. Es lag insbesondere kein Zahlungsverzug im Sinne von § 554 Abs. 1 Ziff. 1 BGB vor. Es fehlt jedenfalls am Verschulden hinsichtlich eines Zahlungsrückstandes. Eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch Aufrechnung mit den geltend gemachten Gegenansprüchen durch die Beklagte ist nicht gegeben, da diese sich, mit 78 Jahren in einem fortgeschrittenen Alter befindend, bei dem K Mieterverein Rat einholte und aufgrund entsprechender Auskunft von der Aufrechenbarkeit und dem Bestehen von Gegenansprüchen ausgehen konnte (vgl. hierzu LG Görlitz, WM 1994 S. 601). Im vorliegenden Fall liegt auch kein Verschulden des Mietervereins vor, das der Beklagten möglicherweise zugerechnet werden müßte. Der Mieterverein konnte hier aufgrund eines Rechtsirrtums ohne Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt annehmen, daß der Beklagten Gegenansprüche für die von dem Malermeister ... ausgeführten Arbeiten in Höhe von insgesamt 2.174,74 DM, jedenfalls aus §§ 547 Abs. 2, 684 S. 1, 812 ff BGB, zustanden. Dieser unverschuldete Rechtsirrtum besteht deshalb, weil Teile der Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, NJW -- RR 1992, 716 = WM 1993 S. 271; LG Berlin WM 1989 S. 16; wohl auch BGH ZMR 1976 S. 138) und der überwiegende Teil der Literatur (Palandt-Putzo, BGB 52. Aufl., § 547 Rn. 3; Müko-Voelskow, 2. Aufl., BGB, § 538 Rn. 23; RGKR-Gelhaar, BGB, § 538 Rn. 22) die Ansicht vertreten, daß auch ohne Verzug des Vermieters Aufwendungen des Mieters nach §§ 547 Abs. 2 i.V.m. 683, 684 BGB entweder nach den Vorschriften über den Aufwendungsersatz aus auftragsloser Geschäftsführung oder nach Bereicherungsrecht zu erstatten sind. Die Kammer geht zwar mit anderer Ansicht davon aus, daß § 547 Abs. 2 BGB durch § 538 Abs. 2 BGB als speziellerer Regelung verdrängt wird, jedoch muß es zu Gunsten der Beklagten wirken, daß sich das Verhältnis von § 538 Abs. 2 BGB und § 547 Abs. 2 BGB als eine schwierige Rechtsfrage darstellt, bei der erhebliche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur eine Ansicht vertreten, deren Anwendung zu einem Gegenanspruch der Beklagten führt.

Es sei angemerkt, daß die Kammer über die Frage des Bestehens einer aufrechenbaren Gegenforderung der Beklagten endgültig nicht zu entscheiden hatte, da bereits das fehlende Verschulden zur Unwirksamkeit der Kündigung führt und ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Mietzinszahlung nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

2. Kündigung:

Auch die mit Schriftsatz vom 21. Juni 1994 erklärte Kündigung ist unwirksam.

Die Zutrittsverweigerung durch die Beklagte stellt keine zur fristlosen Kündigung berechtigende schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne von § 554 a BGB dar. Es fehlt bereits an der in diesem Fall gegebenen Voraussetzung einer Abmahnung unter Hinweis auf eine dann drohende erneute Kündigung. Vielmehr erklärte die Klägerin durch Schriftsätze ihres Prozeßvertreters vom 5. und 25. Mai 1994, daß sie sich vorbehalte, die durch eine Weigerung der Beklagten entstehenden Mehrkosten nach Abrechnung von dieser ersetzt zu verlangen. Damit konnte die Beklagte sich darauf einstellen, daß sie bei einer weiteren Zutrittsverweigerung lediglich etwaige finanzielle Nachteile, nicht aber eine erneute Kündigung zu erwarten habe.

3. Kündigung:

Die mit außergerichtlichem Schreiben am 25. Oktober 1994 erklärte Kündigung ist ebenfalls unwirksam. Auch hier fehlt es aus den genannten Erwägungen hinsichtlich des Betrages von 2.174,74 DM an einem verschuldeten Zahlungsverzug im Sinne von § 554 Abs. 1 Ziff. 1 BGB.

Ein solches Verschulden ergibt sich auch nich...

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