Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Mieterhöhungsverlangen vor Ablauf der Mietpreisbindung

 

Orientierungssatz

Der Vermieter hat auch nach der Gesetzesänderung durch das 4. Mietrechtsänderungsgesetz vom 21.7.1993 (juris: MietRÄndG 4) keinen Anspruch darauf, schon vor Ablauf der Preisbindung von dem Mieter zu verlangen, einer Mieterhöhung nach den Regeln des MHG (juris: MietHöReglG) zuzustimmen.

 

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 29. April 1993 wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist abzuweisen, weil dem Verfahren kein wirksames Mieterhöhungsverlangen (§ 2 MHG) vorausgegangen ist.

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 29. Oktober 1992 ist unwirksam, weil es zu einer Zeit gestellt worden ist, als der Mietzins noch bis Ende 1992 der Preisbindung unterlag. Die Vorschriften der §§ 1 bis 9 MHG haben auch nach dem 4. Mietrechtsänderungsgesetz vom 21. Juli 1993 mit Ausnahme des neu eingefügten § 2 Abs. 1 a Satz 2 MHG, der eine Mitteilungspflicht des Mieters über die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung schon während der Mietpreisbindung bestimmt, keine Gültigkeit, solange die Wohnung noch preisgebunden ist (§ 10 Abs. 3 Nr. 1 MHG).

Danach hatte die Klägerin keinen Anspruch darauf, schon vor Ablauf der Preisbindung von den Beklagten zu verlangen, einer Mieterhöhung nach den Regeln des MHG zuzustimmen. Die materiellen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens müssen im Zeitpunkt des Zuganges vorliegen; denn das Mieterhöhungsverlangen ist ein Antrag auf Abschluß eines Änderungsvertrages, für dessen Wirksamwerden es gemäß § 130 BGB auf den Zugang ankommt (vgl. Sternel Mietrecht, 3. Aufl. III 494 und 613; so jetzt auch der BGH durch Rechtsentscheid vom 16. Juni 1993, WM 1993, 388).

Die Kammer hat geprüft, ob die Frage der Wirksamkeit eines vorfristig gestellten Mieterhöhungsverlangens zum Rechtsentscheid vorzulegen sei, weil die Kammer mit ihrer Entscheidung von den Rechtsentscheiden des OLG Hamm (v. 09.10.1980 RES § 10 MHG Nr. 1) und des Kammergerichts (v. 29.01.1982 RES § 16 Wohnungsbindungsgesetz Nr. 1) abweicht (§ 541 ZPO).

Von einer Vorlage ist abgesehen worden, weil die genannten Rechtsentscheide durch den Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofs vom 16.06.1993 (a.a.O.) überholt sind. Zwar ist dieser Rechtsentscheid ausdrücklich nur für die Frage ergangen, daß das Mieterhöhungsverlangen vor Ablauf der einjährigen Sperrfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MHG zugeht. Inhaltlich und argumentativ hat der BGH aber auch die - hier zu entscheidende - Frage geklärt, daß ein Mieterhöhungsverlangen vor Ablauf der Preisbindung zugeht. Dies entnimmt die Kammer nicht nur der Feststellung des BGH, daß die materiellen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens im Zeitpunkt seines Zugangs vorliegen müssen. Auch der Satz, daß die Fristen nach dem Normzweck frühestens ab Zugang des Mieterhöhungsverlangens laufen können, besagt im Streitfall nichts anderes, als daß die Zustimmungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird, solange eine Mieterhöhung der Preisbindung unterliegt.

Dem Argument einer Überbewertung formeller Gesichtspunkte ist der BGH mit der auch hier geltenden Begründung entgegengetreten, daß die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Mieterhöhungsverlangens ausdrücklich in einer bestimmten Weise geregelt sind.

Schließlich ist dem Einwand der Ungleichbehandlung bzw. der Verletzung der Eigentumsgarantie entgegenzuhalten, daß - worauf der BGH ebenfalls hinweist - die gesetzliche Regelung von einer effektiven Wartezeit von 15 Monaten ausgeht, und daß dieses Ergebnis der Rechtssicherheit dient, weil sonst ungewiß bleibt, ab welcher Zeit ein vorzeitiges Erhöhungsverlangen unwirksam wäre.

Demgegenüber vermag auch der Hinweis der Klägerin auf die Fristenregelung des durch das 4. Mietrechtsänderungsgesetz neu eingefügten § 2 Abs. 1 a Satz 1 MHG nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen.

Zwar läßt sich die vier Monate vor dem Wegfall der öffentlichen Bindung zu erfüllende Auskunftspflicht des Mieters damit erklären, daß der Gesetzgeber dem Vermieter eine bereits zum Ende der Preisbindung wirkende Mieterhöhung nach den Vorschriften des MHG ermöglichen wollte. Der Gesetzgeber hat aber andererseits darauf verzichtet, diese Möglichkeit ausdrücklich gesetzlich zu verankern, sondern hat den in § 10 Abs. 3 Nr. 1 MHG statuierten Geltungsausschluß des MHG während der Dauer der Mietpreisbindung nur für die Auskunftspflicht des Mieters nach § 2 Abs. 1 a Satz 2 MHG aufgehoben. In Anbetracht des in Literatur und Rechtsprechung danach heftig umstrittenen Problems eines bereits während der Preisbindung ausgesprochenen Zustimmungsverlangens kann aus dieser Vorgehensweise des Gesetzgebers nur der Schluß gezogen werden, daß den Rechtsentscheiden des OLG Hamm vom 09.1...

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