Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitablauf. Verhältnismäßigkeit. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass der vorgeworfene Verkehrsverstoß bereits längere Zeit (hier über 7 Monate) zurückliegt, rechtfertigt in der Regel kein Absehen von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO.

 

Normenkette

StPO § 111a; StGB § 69 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Geldern vom 06.04.2011 wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft L6 wirft dem Angeklagten vor, am 02.09.2010 in L2 durch zwei selbständige Handlungen fahrlässig im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben und sich dann als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt zu haben, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, des Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe seiner Unfallbeteiligung ermöglicht hatte.

Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Angeklagte fuhr am 02.09.2010 kurz nach 16.00 Uhr mit dem Personenkraftwagen BMW auf der Autobahn BAB 57 in Fahrtrichtung xy. In dem Fahrzeug befanden sich zwei Mitfahrer, die der Angeklagte zum Flughafen nach X fahren wollte. Zunächst befuhr der Angeklagte die linke Fahrspur und überholte dabei den auf der rechten Fahrspur fahrenden PKW F des später Geschädigten L3. Kurz vor der Autobahnausfahrt V, die der Angeklagte zu spät bemerkt hatte, zog er den PKW BMW kurz vor dem auf der rechten Fahrspur fahrenden Zeugen L5 über die rechte Fahrspur in Richtung Ausfahrt, ohne dabei den erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem überholten Fahrzeug einzuhalten. Dem Zeugen L5 gelang es trotz Bremsens nicht, einen Auffahrunfall zu verhindern. Durch den Zusammenstoß entstand an dem PKW F an der Front ein Schaden in Höhe von 3.000,--?. Obwohl der Angeklagte den Zusammenstoß bemerkt hatte, setzte er seine Fahrt auf der Ausfahrt und zum Flughafen X über die Landstraße fort, ohne anzuhalten. Erst ca. 45 Minuten später, nachdem er seine Mitfahrer abgesetzt hatte, rief der Angeklagte die Polizei an und meldete dort den Unfall. Inzwischen hatte bereits der Zeuge L3 die Polizei verständigt, die auch bereits zur Unfallaufnahme an die Ausfahrt V der BAB 57 gekommen war.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten vom 19.01.2011 entzog das Amtsgericht H dem Angeklagten mit Beschluss vom 06.04.2011 vorläufig die Fahrerlaubnis und stellte fest, dass dies gleichzeitig die Beschlagnahme des Führerscheins gemäß § 111 a Abs. 3 StPO bewirkt. Gleichzeitig wurde Termin zur Hauptverhandlung auf den 03.06.2011 bestimmt.

Gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis richtet sich die von dem Verteidiger des Angeklagten eingelegte Beschwerde vom 13.04.2011, mit der er geltend macht, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 7 Monate nach dem Unfallereignis nicht mehr dem Charakter des § 111a StPO als eilige Sicherungsmaßnahme entspräche und daher rechtswidrig sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für den Einsatz eines Kfz's zur Ausübung von Straftaten durch den Angeklagten.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu Recht vorläufig entzogen. Denn es bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass ihm im Hauptsacheverfahren die Fahrerlaubnis endgültig entzogen wird (§ 111a Abs. 1 StPO).

Nach dem derzeitigen Verfahrensstand ist es überwiegend wahrscheinlich, dass der Angeklagte jedenfalls wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Ziffer 2 b StGB verurteilt werden wird. Gegen die Richtigkeit der bisherigen Ermittlungsergebnisse bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Bei dem Spurwechseln von der linken Fahrspur der Autobahn durch Überfahren der rechten Fahrspur unter Vernachlässigung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zu dem nachfolgenden Fahrzeug handelt es sich um einen schweren und rücksichtslosen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften. Der Angeklagte hat sich, weil er die Ausfahrt zu spät bemerkte, ohne Einhaltung der notwendigen Vorsicht aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinweggesetzt und unbekümmert seine Ziele verfolgt. Das Queren von Autobahnspuren, um eine unmittelbar vorausliegende Ausfahrt noch zu erreichen unter knappem Überholen der an der Autobahnausfahrt vorbeifahrenden Fahrzeuge stellt eine leicht erkennbare erhebliche Gefährdung anderer dar und ist nicht nur ein durchschnittliches Fehlverhalten, sondern ein besonders schwerer Verstoß gegen die Verkehrsgesinnung und somit rücksichtslos. Die dadurch provozierte Kollision der beiden Fahrzeuge auf der Autobahn bei ...

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