Verfahrensgang

AG Köln (Aktenzeichen 143 C 97/10)

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (VO 261/2004 EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung in der Europäischen Union vereinbar, wenn die VO 261/2004 EG vom EuGH zur Beseitigung einer sonst gegebenen Ungleichbehandlung dahingehend ausgelegt wird, dass einem von einer bloßen Verspätung von mehr als 3 Stunden betroffenen Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zusteht, obwohl die Verordnung dies nur im Falle einer Beförderungsverweigerung oder Annullierung des gebuchten Fluges vorsieht, die Ansprüche des Fluggastes im Falle einer Verspätung aber auf Unterstützungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung und - wenn die Verspätung mehr als fünf Stunden dauert - auch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung beschränkt?

 

Gründe

I.

Der Kläger sowie zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen Ansprüche aus der VO 261/2004 EG geltend.

Sie buchten bei der Beklagten einen Flug für den 21.12.2009 von E nach L. Geplante Abflugzeit war nach der Darstellung des Klägers 20:05 Uhr, nach der der Beklagten 19:30 Uhr. Tatsächlich fand der Abflug jedoch erst gegen 23:30 Uhr statt.

Ursache dafür war ein trotz Einhaltung des behördlich vorgeschriebenen Wartungs- und Instandsetzungsprogrammes aufgetretener technischer Defekt im Düsentriebwerk 1 der ursprünglich von der Beklagten für die Durchführung des gebuchten Fluges vorgesehenen Maschine. Da deren Kontrollsystem bei den Startvorbereitungen plötzlich eine Fehlermeldung im Schutzsystem des Düsentriebwerks 1 gegen zu hohe Drehzahlen anzeigte und ein Flugzeug nach dem Betriebshandbuch des Herstellers in einem solchen Fall am Boden bleiben muss, bis die Ursache dieser Fehlermeldung beseitigt worden ist, entschied sich die Beklagte, den gebuchten Flug mit einem anderen Flugzeug durchzuführen, nachdem sie festgestellt hatte, dass sich der aufgetretene Defekt nicht ganz kurzfristig beseitigen lassen würde. Das andere Flugzeug (Ersatzflugzeug) befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch auf einem Flug von F nach L und konnte auch nach seiner Landung in L um 20:10 Uhr nicht sofort nach E verbracht werden, weil zunächst noch die Crew ausgetauscht werden musste. Ein Weiterflug nach E mit der bisherigen Crew war deshalb nicht möglich, weil dies zu einer Überschreitung der höchstzulässigen Flugdienstzeiten geführt hätte. Da die Zusammenstellung einer neuen Crew etwa anderthalb Stunden in Anspruch nahm, konnte die Ersatzmaschine erst um 21:57 Uhr zu dem Leerflug nach E starten, wo sie dann um 22:50 Uhr landete und zunächst noch die Fluggäste und deren Gepäck aufnehmen musste, bevor sie nach L starten konnte.

Der Kläger und seine Mitreisenden erreichten L daher mit einer Verspätung von mehr als drei (aber weniger als vier) Stunden.

II.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wegen dieser Verspätung zu verurteilen, an ihn eine Ausgleichszahlung in Höhe von (3 x 250 € =) 700 € gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a der VO 261/2004 EG in Verbindung mit dem Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-402/07 und C-432/07 vom 19.11.2009 zu leisten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen das amtsgerichtliche Urteil hat die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung eingelegt, über deren Begründetheit die Kammer nun zu befinden hat.

Wie schon in der ersten Instanz ist die Beklagte der Ansicht, dass die EuGH-Entscheidung, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, rechtswidrig sei. Dies begründet sie unter anderem damit, dass die vom EuGH vorgenommene Auslegung der VO 261/2004 EG, die Fluggäste verspäteter Flüge könnten im Hinblick auf die Anwendung des in Art. 7 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden, contra legem erfolgt sei und gegen die europarechtliche Gewaltenteilung verstoße. Abgesehen davon sei sie - die Beklagte - aber auch deshalb nicht verpflichtet, eine Ausgleichszahlung zu leisten, weil die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgegangen sei, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

III.

1.

Der Erfolg der Berufung hängt davon ab, ob die durch den EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009 (AZ C-402/07) vorgenommene, von der Beklagten kritisierte Auslegung der VO 261/2004 EG gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung in der Europäischen Union verstößt.

Wäre dies der Fall, müsste der Berufung stattgegeben und die Klage abg...

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