Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswert eines Mietspiegels im Mieterhöhungsprozeß

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Dem Lübecker Mietspiegel 1993 ist ein im Prozeß zu verwertender Beweiswert für das allgemeine Mietengefüge im Bereich der Hansestadt Lübeck zuzuerkennen.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Eine Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs hält die Kammer nicht für angemessen (§§ 539, 540 ZPO).

Zwar hat das AG Lübeck den Beklagten entgegen dem Antrag ihres Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung v. 21.6.1993 nicht nachgelassen, zum Schriftsatz der Gegenseite v. 17.6.1993 Stellung zu nehmen, in dem erstmals eine "Abwohnvereinbarung" zwischen den Parteien betreffend die von den Beklagten unstreitig in die streitbefangene Wohnung eingebrachten Einbauten geltend gemacht wird. Bei der Versagung des Schriftsatznachlasses gemäß § 283 ZPO handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör (vgl. dazu Thomas-Putzo ZPO, 18. Aufl., § 283 Rn. 1 m.w.N.). Die Kammer hält es aber für sachdienlich im Sinne des § 540 ZPO, die Sache trotz dieses Verstoßes nicht an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, sondern darüber selbst zu entscheiden. Die Beklagten haben in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, zum Streitpunkt "Abwohnvereinbarung" vorzutragen. Entsprechender Vortrag ist in der Berufungsinstanz auch erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, daß den Beklagten Rechte dadurch abgeschnitten würden, daß dieser Vortrag nicht zunächst Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist. Maßgeblich erscheint bei dieser Betrachtung, daß der Vortrag im Schriftsatz des Klägervertreters v. 17.6.1993 hinsichtlich der dort dargelegten Tatsachen (Einbau 1974, Abwohnvereinbarung auf zehn Jahre) von den Beklagten gar nicht - mehr - bestritten wird.

II. Der Klägerin steht gemäß §§ 1, 2 MHG in Verbindung mit § 535 BGB ein Anspruch gegen die Beklagten auf Zustimmung in die Erhöhung des Mietzinses für die Wohnung in Lübeck in beantragter Höhe zu. Die erstrebte Miete entspricht den ortsüblichen Vergleichsmieten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer unter Heranziehung des Mietspiegels 1993 der Hansestadt Lübeck.

Die Erhebung weitergehender Beweise ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Somit ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 539 ZPO auch nicht darin zu sehen, daß das AG seine Entscheidung allein auf den Mietspiegel gestützt hat und dem Beweisantrag der Beklagten, Sachverständigengutachten einzuholen, nicht gefolgt ist.

Zwar gehören Mietspiegel nicht zu den in der ZPO ausdrücklich aufgeführten Beweismitteln. Ihre Einschätzung erfolgt auch nicht einheitlich. So werden Mietspiegel zum Teil als zur Beweisführung im Prozeß geeignet angesehen (vgl. LG Frankfurt WM 1990, 590), zum Teil wird ihnen nur die Funktion eines formalen Begründungsmittels, wie in § 2 Abs. 2 Satz 2 MHG vorgesehen, zugebilligt (KG WM 1992, 140). Einerseits wird die Auffassung vertreten, daß es sich bei einem Mietspiegel um ein Parteigutachten handele, sofern eine Partei sich darauf berufe. Berufe sich keine Partei auf den im konkreten Fall existierenden Mietspiegel, könne er als allgemeinkundiges Zahlenmaterial bei der richterlichen Überzeugungsbildung mit herangezogen werden (vgl. Voelskow ZMR 1992, 326 ff. m.w.N.). Von anderer Seite wird er als überlegenes Beweismittel im Verhältnis zum Sachverständigengutachten angesehen (vgl. Sternel DS 1994, 16 m.w.N.; LG Landshut WM 1990, 223; LG Hamburg WM 1990, 31).

Nach Auffassung der Kammer kann Aufgabe des Mietspiegels nur sein, das allgemeine Mietengefüge wiederzugeben, in dessen Rahmen alsdann die Miete des konkreten Einzelfalls einzuordnen ist (so auch: LG Hamburg WM 1978, 146, 147).

Die wertende Entscheidung des Gerichts im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO oder - wenn unter Angabe konkreter Gründe geltend gemacht wird, daß der Mietspiegel in diesem Falle nicht passe - eines Sachverständigen kann ein Mietspiegel nicht ersetzen. Bietet der Mietspiegel hinreichenden Beweis für die allgemeine Lage auf dem Mietenmarkt, so wird der Entscheidungsspielraum aber derart eingeengt sein, daß eine Wertung unmittelbar vom Gericht vorgenommen werden kann (vgl. in diesem Sinne Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III 743; gegebenenfalls nach Augenscheinseinnahme: LG Hamburg WM 1978, 146).

Die Heranziehung eines geeigneten Mietspiegels zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete ohne zusätzliches Sachverständigengutachten läßt auch nach Auffassung des BVerfG eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht erkennen, obwohl Mietspiegel in der ZPO nicht als Beweismittel vorgesehen sind (vgl. BVerfG WM 1991, 523; BVerfG NJW 1992, 1377 (= WM 1992, 48)). Vielmehr hat das BVerfG in seinem Beschluß v. 3.4.1990 (NJW 1992, ...

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