Entscheidungsstichwort (Thema)
Mißbrauch des Rechts zur Eigenbedarfskündigung
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Ein ernsthafter Selbstnutzungswunsch und ein berechtigtes Kündigungsinteresse sind nicht anzunehmen, wenn die Eigenbedarfskündigung im Räumungsprozeß ihre Erklärung darin findet, daß der Vermieter den unliebsamen Mieter räumen lassen will.
2. Da Beharren auf einem Selbstnutzungswunsch ist willkürlich und rechtsmißbräuchlich, wenn der Wohnbedarf in einer Alternativwohnung hätt e befriedigt werden können.
2. Zitierung: Vergleiche BGH, 1988-06-24, 1 BvR 736/88, NJW 1988, 2233.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben v. 29.3.1987 zum 31.3.1988 mit folgender Begründung gekündigt:
"Mit Ende des Wirtschaftsjahres 1986/1987 zum 1.7.1987 übergebe ich meinen Hof an meinen Sohn Landwirtschaftsmeister W. Da dieser seit längerer Zeit eine feste Freundin hat, auf meinem Hof aber keine Altenteilerwohnung vorhanden ist, will ich mit meiner Frau nach Lübeck ziehen."
Der 85jährige Kläger hat in der Berufungsverhandlung ergänzend vorgetragen, er wolle die Wohnung der Beklagten zusammen mit seiner 79 Jahre alten Ehefrau beziehen, nachdem er auf dem Bauernhof seit ca. 50 Jahren gewohnt habe. Für ihn komme von seinen 20 Wohnungen in dem Wohnblock in der S.-Straße in Lübeck nur die der Beklagten in Betracht. Sein Sohn sei jetzt seit zwei Jahren mit seiner Jugendliebe, die geschieden sei und zwei Kleinkinder habe, zusammen. Er habe vor, mit ihr zusammenzuleben. Dann sei das Siedlungsbauernhaus zu klein; außerdem verstünden sich seine Ehefrau und die Freundin des Sohnes nicht.
Entscheidungsgründe
Der auf §§ 556 Abs. 1, 564b Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB gestützte Räumungsanspruch des Klägers ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG v. 14.2.1989 - 1 BvR 308, 336, 356/88 (= WM 1989, 114), des Beschlusses des BVerfG v. 24.6.1988 (NJW 1988, 2233 (= WM 1988, 245)) sowie des RE des BGH v. 20.1.1988 (BGHZ 103, 91 (= WM 1988, 47)) nicht begründet.
a) Der Kläger hat nicht dartun können, daß er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages mit den Beklagten hat, insbesondere sein vorgebrachter Selbstnutzungswunsch ernsthaft ist. Eine Kündigung gegenüber dem Mieter, die sich nicht mit berechtigten Interessen begründen läßt, genießt aber angesichts der sozialen Bindung der Wohnung, ebensowenig wie vorgeschobene Kündigungen, keinen Schutz (vgl. Urteil des BVerfG v. 14.2.1989 S. 16 und 19 (= WM a.a.O.)).
Die Beklagten, die seit Erstellung des Wohnblocks - mithin seit 33 Jahren - die streitbefangene Wohnung bewohnen, haben mehrere Gesichtspunkte vorgetragen, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches des Klägers begründen können; diesen Gesichtspunkten hatte die Berufungskammer nachzugehen (vgl. a.a.O. S. 19).
Die Beklagten haben darauf verwiesen, daß der Kläger bereits 1977 mit der gleichen Begründung wie jetzt gegenüber den damaligen Mietern Ehel. S. Eigenbedarf geltend gemacht habe. Auch dem Mieter O. habe er am 2.1.1987 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Kündigung sei auch erst ausgesprochen worden, nachdem sie sich nach vorhergehenden - auch gerichtlichen - Streitigkeiten über Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungsverlangen erneut unter dem 19.3.1987 gegen die Nebenkostenabrechnungen des Klägers gewandt hätten. Diese und andere Umstände machten deutlich, daß der Kläger ihnen gegenüber den Eigenbedarf nur vorspiegele, um sie "loszuwerden".
Auf Vorhalt des Vorbringens der Beklagten hat sich der Kläger in der Berufungsverhandlung wie folgt erklärt: Zu der im Jahre 1977 gegenüber den Ehel. S. ausgesprochenen Kündigung "sei er ja wohl als Eigentümer berechtigt gewesen." Im übrigen sei es "damals mit dem Umzug nichts geworden, da die damalige Freundin des Sohnes einen Rückzieher gemacht habe und damit die Hofübergabe an seinen Sohn gescheitert sei". Dem Mieter O. habe er unter dem 2.1.1987 gekündigt, da dieser "zu den fünf Leuten im Haus gehörte, die er loswerden wollte". Inzwischen komme er mit diesem Mieter gut aus, so daß er "wohnen bleiben kann". Auf Vorhalt der Kammer, daß er diesem Mieter ausweislich des Kündigungsschreibens "wegen Eigenbedarfs" gekündigt habe, erklärte der Kläger: "Es wäre ja noch schöner, wenn ich nicht mit meinem Haus machen kann, was ich will." Zu dem Vortrag der Beklagten, er spiegele einen Eigenbedarf ihnen gegenüber nur vor, um sie "loszuwerden", erklärte der Kläger: "Es sind fünf Leute im Haus, die ich lieber heute als morgen los sein möchte. Zu denen gehören die Beklagten. Diese Leute nenne ich Querulantenverein. Der Beklagte ist der Vorsitzende dieses Vereins. Dieser Querulant muß raus. Ich hoffe, wenn der Vorsitzende des Querulantenvereins auszieht, daß es mit den anderen besser wird. Für mich sind Scherereien mit den Mietern genügend Grund, ihnen zu kündigen . . . Wenn sie meine Lieblingsmieter wären, würde ich sie nicht so kraß anfassen."
Angesichts dieses Vorbringens des Klägers kann...