Verfahrensgang

AG Celle (Aktenzeichen 110 C 1007/18)

 

Tenor

Die Kammer weist bei vorläufiger Bewertung der derzeitigen Sach- und Rechtslage darauf hin, dass die Berufung des Klägers Aussicht auf Erfolg haben dürfte.

Den Parteien wird auf den Hinweis der Kammer eine Stellungnahmefrist bis zum 01.07.2019 eingeräumt. Auf § 296 ZPO wird hingewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 15.04.2017 einen Mietvertrag über eine 1-Zimmer-Wohnung zu einer monatlichen Bruttomiete von 256,00 EUR.

In einer vor Abschluss des Mietvertrags auf Veranlassung des Klägers erteilten Selbstauskunft gab der Beklagte keine relevanten Schulden oder laufende Zahlungsverpflichtungen bzw. Unterhaltsverpflichtungen an.

Am 21.11.2017 eröffnete das Amtsgericht Celle das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten (Az …). Der Beklagte kommt seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag in vollem Umfang nach.

Mit Schreiben vom 27.06.2018 erklärte der Kläger die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses unter Berufung auf die unrichtigen Angaben in der Selbstauskunft. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2018 wies der Beklagte die Kündigung zurück und lehnte die Räumung der Mietwohnung ab. In der Klageschrift vom 10.09.2018 erklärte der Kläger erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Mit Schriftsatz vom 19.11.2018 erklärte er zudem die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die vorzunehmende umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien gemäß § 543 Abs. 1 BGB stelle die unrichtige Selbstauskunft des Beklagten keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar. Habe ein Mieter im Rahmen einer „Selbstauskunft” falsche Angaben gemacht, sei zunächst zu prüfen, ob die jeweiligen Fragen zulässigerweise gestellt worden sind. Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Fragen nach der Bonität sei § 28 BDSG zu beachten. Danach sei das Erheben personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke nur zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen des Vermieters erforderlich sei und kein Grund zu der Annahme bestehe, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Nutzung überwiege. Soweit sich das Auskunftsbegehren auf die Bonität des Mietinteressenten beziehe, könne aus § 28 BDSG abgeleitet werden, dass Bonitätsauskünfte erst zulässig seien, wenn das Interesse des Vermieters an der Bonität ein gewisses Gewicht habe; die Bagatellgrenze werde mit 1.500,00 EUR, ermittelt aus drei Monatsmieten, angesetzt. Im vorliegenden Fall belaufe sich die monatliche Bruttomiete auf 256,00 EUR, so dass die Bagatellgrenze nicht überschritten worden sei. Aus diesem Grund seien Fragen nach bestehenden Zahlungsverpflichtungen des Beklagten unzulässig gewesen und die Falschangaben können bei Abwägung aller Umstände keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung darstellen. Auch eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB sowie eine Anfechtung nach § 123 BGB scheide aus denselben Gründen aus.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der an seinem erstinstanzlichen Räumungsantrag festhält.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und beantragt diese zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung dürfte in der Sache Erfolg haben.

Die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung dürfte zulässig und begründet sein. Der Kläger dürfte ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB gehabt haben.

Zutreffend geht das Amtsgericht zunächst davon aus, dass die jeweils falsch beantworteten Fragen zulässigerweise gestellt worden sein müssen, um für einen wichtigen Kündigungsgrund auszureichen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts dürften die Angaben des Beklagten in der Mieterselbstauskunft über seine Bonität von einem Fragerecht seitens des Klägers gedeckt und für den Fortbestand des Mietverhältnisses von so wesentlicher Bedeutung gewesen sein, dass dem Kläger ein weiteres Festhalten an dem Mietvertrag nicht zumutbar erscheint.

Nach dem Bundesgerichtshof, Urteil vom 09. April 2014 – VIII ZR 107/13 –, Rn. 18, juris, sind Fragen hinsichtlich der Bonität und Zuverlässigkeit des potentiellen Mieters zulässig. Dabei dürfte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine Unterscheidung anhand der Miethöhe vorgenommen werden können. Die vom Amtsgericht zitierte Fundstelle im Schmidt/Futterer (Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 543 Rn. 204) bezieht sich auf Bonitätsauskünfte. Insoweit ist geregelt, dass Auskunfteien an die Vermieter nur Bonitätsdaten übermitteln dürfen, die eindeutige Rückschlüsse auf Mietausfallrisiken zulassen. Dies können Daten aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen oder sonstige Angaben über negatives Zahlungsverhalten sein, bei denen eine Bagatellgrenze von 1.500 Euro aber...

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