Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.10.2007; Aktenzeichen 4 StR 246/07)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.000,- nebst 5% Zinsen über Basiszinssatz seit 21.03.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aus diesem Urteil noch zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin, der im Bereich des linken Hüftgelenks eine Prothese implantiert worden war, stellte sich nach einem Sturz am 12.06.2003 und sodann am 04.07. und 29.07.2003 beim Beklagten vor. Am 08.08.2003 stellte die Klägerin sich beim MDK vor. Am 13.08.2003 veranlasste die Orthopädin Dr. W. eine Röntgenuntersuchung, bei der eine Fraktur des Oberschenkelknochens, etwa in Mitte des Prothesenschachtes, erkannt wurde. Die Klägerin wurde in der Otto-von-Guericke-Universität operiert.

Die Klägerin bemängelt, dass der Beklagte keine Röntgenuntersuchung im Prothesenbereich veranlasst hat. Sie meint, dadurch wäre die Fraktur erkannt worden. Bei alsbaldiger Behandlung wären ihr 8 Wochen Schmerzen erspart geblieben.

Die Klägerin behauptet, sie habe während der Untersuchung Schmerzen im linken Knie und in der linken Hüfte, im gesamten linken Bein und den Verdacht geäußert, durch den Sturz könne die Hüfte gebrochen sein. Ihr Ehemann habe bei der ersten Untersuchung geäußert, die Klägerin könne im Oberschenkel/Hüftbereich zu Schaden gekommen sein, der Oberschenkel und auch das künstliche Hüftgelenk könnten durch den Sturz geschädigt sein. Sie habe geschildert, dass sie insgesamt auf die linke Seite und damit insbesondere auf die linke Hüfte gestürzt sei. Sie habe erhebliche Schmerzen im Hüftbereich beklagt. Die Klägerin trägt im Übrigen noch vor, die Untersuchung habe sich allein auf das Kniegelenk konzentriert.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichtes zu stellenden Schmerzensgeldbetrag in Höhe von mindestens EUR 6.000,- nebst 5% Zinsen über Basiszinssatz seit 21.03.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe berichtet, aufgrund einer baustellenbedingten Kante an einem Fußweg gestürzt zu sein. Dabei habe sie sich das Kniegelenk rechts weggedreht und sei mit dem Gesichtsbereich an einen Laternenpfahl geprallt. Von dort sei sie auf das linke Knie gefallen. Der Beklagte behauptet weiter, bei seiner Untersuchung habe sich Schmerz im Kniegelenksbereich gezeigt. Im Bereich der implantierten Hüfte habe keine Schmerzhaftigkeit bestanden. Am 04.07.3003 sei noch eine Schmerzhaftigkeit des medialen Seitenbandes erkennbar gewesen. Am 29.07.2003 habe noch leichter Druckschmerz bestanden. Der Beklagte bestreitet, dass die Fraktur überhaupt auf dem Sturz beruht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Schlichtungsstelle hat Schadensersatzansprüche nicht für begründet erachtet. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie die ärztliche Dokumentation zugrunde gelegt hat. Ob die Beweiswirkung der Dokumentation durch Zeugenaussagen erschüttert werden könne, müsse offen bleiben.

Die Kammer hat Beweis durch schriftliches Gutachten (I 111-122) und Ergänzungsgutachten (I 152-153) des medizinischen Sachverständigen Dr. K. sowie durch schriftliches Gutachten (II 3-7) des medizinischen Sachverständigen Dr. W. erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gemäß §§ 253, 280 Abs.1, 823 Abs.1 BGB gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 3.000,-.

Der Beklagte hat eine schmerzhafte Bewegungs- und Belastungseinschränkung des linken Beines der Klägerin über einen Zeitraum von 8 Wochen verschuldet, weil er am 12.06.2003 -und auch danach- infolge unzureichender Diagnostik den Knochenbruch nicht erkannte.

Eine fehlerhafte Unterlassung der medizinisch gebotenen Befunderhebung führt zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden, wenn sich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und wenn sich die Verkennung dieses Befunds als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde (BGH NJW 2004, 1871 [BGH 23.03.2004 - VI ZR 428/02]). So verhält es sich hier. Die Kammer ist überzeugt, dass der Beklagte zwingend gebotene Diagnostik schuldhaft unterlassen hat, bei der der Knochenbruch erkannt worden wäre, der unverzüglich operativ hätte behandelt werden müssen.

Der Sachverständige Dr. K. hat festgestellt, dass das Unterlassen von Diagnostik hinsichtlich Oberschenkel und Hüftgelenk bei Anprallverletzungen am Kniegelenk, gemessen am Standard eines Facharztes für Chirurgie mit Schwerpunktbezeichnu...

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