Verfahrensgang
AG Halberstadt (Entscheidung vom 15.01.2003; Aktenzeichen 6 C 121/01 (I)) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Halberstadt vom 15.01.2003 - Az.: 6 C 121/01 (I) - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Gründe
Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der für Behandlungsmaßnahmen entstandenen Kosten (172,67 EUR) sowie auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu.
1.
Eine unfallursächliche Verletzung der HWS hat das Amtsgericht aufgrund des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 08.01.2002 abgelehnt. Dies wurde seitens der Klägerin erstinstanzlich auch nach Erstattung des Gutachtens nicht mehr in Frage gestellt; vielmehr wurde in Reaktion auf das Gutachten mit Schriftsatz vom 12.02.2002 vorgetragen (BL 113), dass die aufgetretenen Schmerzen und Beschwerden eine psychosomatische Ursache haben, wozu der Sachverständige Prof Dr. ... dann ein Gutachten erstattet hat. Für abweichende Feststeilungen fehlt es daher an einer hinreichenden Grundlage.
2.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. ... festgestellt hat, dass es bei der Klägerin infolge des Unfalls zu einer psychosomatischen Belastungsreaktion vor allem m Form von Kopf- und Nackenschmerzen gekommen sei, genügt dies aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht, um diese Beschwerden haftungsrechtlich dem Unfallereignis zuzuordnen und somit einen Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz zu begründen.
Soweit der BGH in einer Entscheidung vom 30.04.1996 (BGHZ 132, 341) ausgeführt hat, dass bei seelisch bedingten Folgeschäden einer Verletzungshandlung eine Zurechnung dann nicht mehr in Betracht komme, wenn das Schadensereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), ist daraus entgegen der Auffassung des Amtsgericht nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass in Fällen eines psychosomatischen Primärschadens - um den es mangels Nachweises einer Primärverletzung der HWS vorliegend geht - stets von einer Zurechenbarkeit zu dem Unfallereignis auszugehen ist.
Zu Recht weisen die Beklagten darauf hin" dass auch in diesen Fällen die allgemeinen Kriterien einer haftungsrechtlichen Zurechnung gelten. Grundlage ist dabei die ständige Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGHZ 132, 341, 344), wonach eine Gesundheitsbeschädigung i.S- von § 823 Abs. 1 BGB keine physische Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraussetzt, vielmehr auch psychisch vermittelt werden kann. Handelt es sich aber bei den psychisch vermittelten Beeinträchtigungen nicht um schadensausfüllende Folgewirkungen einer Verletzung, sondern treten sie haftungsbegründend erst durch die psychische Reaktion auf ein Unfaltgeschehen ein, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen selbst Krankheitswert besitzen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB darstellen (BGHZ 132, 341, 344). Ob davon vorliegend aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... im auszugehen ist, kann letztlich offen bleiben. Denn auch bei psychisch bedingten Schäden ergeben sich Grenzen der Zurechenbarkeit, wenn nämlich das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle) und nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist (BGHZ 132, 341, 346). Bei Beachtung dieser Grundsätze geht daher auch die Kammer im Anschluss an Entscheidungen des OLG Hamm (NZV 2001,470) und des OLG Oldenburg (DAR 2Ö01, 313) davon aus, dass einem Unfall psychisch vermittelte gesundheitliche Beeinträchtigungen dann nicht mehr zurechenbar sind, wenn bereits der Unfall selbst als Bagatelle einzustufen ist" weil er nach seinem Ablauf und seinen Auswirkungen keinen verständlichen Anlass für psychische Reaktionen bietet, die über das Maß dessen hinausgehen, was im Alltagsleben als typische Beeinträchtigungen des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens hinzunehmen ist.
Um einen solchen die Zurechnung ausschließenden Bagatellunfall handelt es sich vorliegend. Denn angesichts des Umstandes, dass es zwischen den Fahrzeugen nur zu einer leicht streifenden Kollision gekommen ist, die nur zu einer geringfügigen Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Fahrzeugs von unter 5 km/h führte, handelt es sich bei objektiver Betrachtung insgesamt um ein gewöhnliches Unfallereignis, dass nicht geeignet ist, psychische Reaktionen mit Krankheitswert hervorzurufen.
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3028367 |
NZV 2003, 478 |
NZV 2003, 478-479 (Volltext mit amtl. LS) |