Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld für Gesundheitsverletzung trotz geringer Differenzgeschwindigkeit
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen 9 O 329/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.5.2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 329/03 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils der 9. Zivilkammer des LG Bonn vom 29.9.2003 - 9 O 329/03 - bei Aufrechterhaltung im Übrigen teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 19.1.2002 sowie Schadensersatz i.H.v. 1.280 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 7.8.2003 (Zeitpunkt der Klagezustellung) zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 16.6.2001 auf der BAB A 3 in N. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.
3. Die Kosten des Rechtsstreites erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾, mit Ausnahme der Kosten in erster Instanz, die durch die Säumnis der Klägerin entstanden sind, die diese alleine zu tragen hat.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten und die Beklagte die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
5. Die Revision wird im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob es sich bei der durch das Unfallereignis eingetretenen somatoformen Schmerzstörung der Klägerin um eine für den Unfallverursacher vorhersehbare und haftungsbegründende Primärverletzung handelt.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird bezüglich des Tatbestandes zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Unfallgeschehen am 16.6.2001 gegen 16.50 Uhr auf der BAB A 3 bei N. in Anspruch, den der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs alleine dadurch verursachte, dass er auf ein vor ihm zum Stillstand gekommenes Fahrzeug auffuhr und dieses auf den Pkw der Klägerin schob.
Die Parteien haben erstinstanzlich vorrangig darum gestritten, ob die Klägerin aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis eine HWS-Distorsion davongetragen habe, und im Weiteren über das genaue Ausmaß einer solchen Verletzung mit möglichen Spätfolgen.
Die Klägerin hat beantragt, nachdem das LG am 29.9.2003 ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen sie erlassen hatte, unter Aufhebung des Versäummsurteils der 9. Zivilkammer des LG Bonn vom 29.9.2003
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein im Ermessen des Gerichts stehendes Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.1.2002 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 16.6.2001 auf der BAB A 3 in N. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.124,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen (7.8.2003).
Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 29.9.2003 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat erstinstanzlich insb. bestritten, dass es aufgrund der geringen Auffahrgeschwindigkeit überhaupt zu einer unfallursächlichen Verletzung der Klägerin gekommen sei.
Im Übrigen hat die Beklagte den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden jedenfalls als übersetzt angesehen.
Das LG Bonn hat mit der angegriffenen Entscheidung das klageabweisende Versäumnisurteil mit der Begründung aufrechterhalten, dass die Klägerin nicht bewiesen habe, dass sie unfallbedingt verletzt worden sei. Nach dem vom LG eingeholten Gutachten des Dipl.-Ing. I. vom 16.2. 2004 (Bl. 179-191 d.A.) zum Unfallhergang sei der Anstoß gegen das Fahrzeug der Klägerin annähernd längsparallel erfolgt und habe bei dem klägerischen Fahrzeug eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 7-9 km/h bewirkt, wobei nennenswerte Queranteile oder rotatorische Komponenten bei der Kollision nicht aufgetreten seien. Das darüber hinaus eingeholte medizinische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. D. vom 8.3.2004 (Bl. 205-231 GA) sei zu dem Ergebnis gekommen, dass "aus hiesiger orthopädischer Sicht zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, dass die Klägerin durch das Unfallgeschehen eine Verletzung der HWS erlitten habe". Weiter habe zwar der Sachverständige festgestellt, dass nicht ausschließbar sei, dass die geltend ge...