Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarfskündigung: Pflicht des Vermieters zum Anbieten einer Alternativwohnung
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Hat der Vermieter das Mietverhältnis nach BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 2 gekündigt und wird nach Ausspruch der Kündigung eine für den Mieter geeignete Alternativwohnung frei, so muß er diese dem Mieter anbieten.
Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn der Mieter Vertragsverletzungen begangen hat, die den Tatbestand der außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung erfüllen. Durch "Spannungen" unterhalb der Kündigungsschwelle wird die Anbietpflicht nicht berührt.
Gründe
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. (...) Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB sind schlüssig dargetan. Nach dieser Vorschrift kann ein Vermieter kündigen, wenn er die vermieteten Räume für einen Familienangehörigen als Wohnung benötigt. (...)
2. Die Beklagten haben u. a. eingewendet, daß nach dem Ausspruch der Kündigung v. 16. 11. 1993 mehrere Wohnungen freigestanden hätten, die der Sohn des Klägers hätte beziehen können. (...) Das AG (Mannheim) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe seinen Bedarf durch die beiden nebeneinanderliegenden Wohnungen decken müssen. Diese Ausführungen werden dem Vortrag der Parteien deshalb nicht gerecht, weil der Kläger geltend gemacht hat, daß die beiden Wohnungen im Dachgeschoß "insgesamt eine wesentlich geringere Wohnfläche als die übrigen Wohnungen im Hausanwesen" haben. (...)
3. Eine weitere Sachaufklärung ist gleichwohl entbehrlich, weil der Herausgabeanspruch aus einem anderen Grund nicht durchgesetzt werden kann.
a) Das AG hat die klageabweisende Entscheidung auch darauf gestützt, daß der Kläger verpflichtet gewesen wäre, den Beklagten eine der freigewordenen Wohnungen anzubieten. Diese Ansicht entspricht der Rechtsauffassung, die dem RE des OLG Karlsruhe v. 27. 1. 1993 (WM 1993, 105 =ZMR 1993, 159) zugrunde liegt. Danach handelt ein Vermieter grundsätzlich rechtsmißbräuchlich, wenn er den Herausgabeanspruch weiter verfolgt, ohne dem Mieter eine nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung freiwerdende Wohnung als Ersatzwohnung anzubieten.
b) Die Berufung wendet hiergegen ein, "daß bei den objektiven Begebenheiten die fraglichen Wohnungen nicht geeignet waren, den Wohnbedarf der Beklagten zu decken".
Diesen Einwand erachtet die Kammer für unsubstantiiert. Der Kläger hat in dem Schriftsatz v. 3. 3. 1995 nämlich selbst vorgetragen, daß alle Wohnungen des Anwesens - mit Ausnahme der Dachgeschoßwohnungen - ca. 50 qm groß sind. Auch die Beklagten bewohnen derzeit eine 50 qm große Wohnung im 2.Obergeschoß. Deshalb ist nicht ersichtlich, warum die frei gewordenen Wohnungen im 3. Obergeschoß rechts oder im Erdgeschoß links - die ebenfalls ca. 50 qm groß sind - für die Beklagten objektiv ungeeignet sein sollten.
c) Weiterhin wendet die Berufung ein, daß zwischen den Parteien erhebliche Spannungen bestehen; deshalb sei es dem Kläger nicht zumutbar, ein solches Tauschangebot abzugeben.
Hierzu ist folgendes anzumerken:
Nach dem RE des OLG Karlsruhe (a. a. O.) darf der Vermieter seinen Räumungsanspruch trotz einer freigewordenen Alternativwohnung weiter verfolgen, wenn dem Mieter ein eigenes Fehlverhalten zur Last fällt. Weitere Einzelheiten hat der Senat offen gelassen und hierzu ausgeführt, daß die Beantwortung dieser Frage von den Umständen des Einzelfalls abhänge und deshalb einem RE nicht zugänglich sei.
Nach Meinung der Kammer ist ein Vermieter von der Verpflichtung zur Abgabe eines Tauschangebots in Fällen der vorliegenden Art dann befreit, wenn der Mieter eine Vertragsverletzung begangen hat, die den Tatbestand der außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung erfüllen. "Spannungen" unterhalb der Kündigungsschwelle reichen nicht aus. Mit den Kündigungstatbeständen hat der Gesetzgeber zugleich festgelegt, daß die Aufrechterhaltung eines Mietverhältnisses zumutbar ist, wenn die Kündigungstatbestände nicht vorliegen. In einem solchen Fall muß der Vermieter folgerichtig auch ein Tauschangebot abgeben.
Die Vorfälle v. 11. 1. 1995 und v. 12. 1. 1995, die der Kläger zum Gegenstand der fristlosen Kündigung v. 9. 2. 1995 gemacht hat, rechtfertigen die Vertragsbeendigung nicht. Auf die Ausführungen des AG zu diesem Punkt wird verwiesen.
Der in der Berufungsbegründung geschilderte Vorfall vom Sommer 1993, wonach die Beklagten gegenüber dem Kläger gesagt haben sollen, dieser habe im Haus "nichts zu melden", ist als Bagatelle zu bewerten; auch dieser Vorfall rechtfertigt die Vertragsbeendigung nicht. Im übrigen ist festzustellen, daß der Kläger im Jahre 1993 seine eigene vertragliche Verpflichtung nicht unerheblich verletzt hat, weil er eine formell unbegründete Kündigung (v. 23. 6. 1993) ausgesprochen hat.
Fundstellen