Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag auf Lebenszeit ohne Mieterhöhungsvorbehalt. Ausschluß der Mieterhöhung
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Wird einer Person Wohnraum zur entgeltlichen Benutzung überlassen, so steht der Annahme eines Mietvertrags nicht entgegen, daß ein besonders niedriges Entgelt (sogenannte Gefälligkeitsmiete) und die Unkündbarkeit auf Lebenszeit vereinbart wird.
2. Liegt ein Mietverhältnis auf Lebenszeit ohne Vereinbarung eines Mieterhöhungsvorbehalts vor, ist regelmäßig auf den Ausschluß der Mieterhöhung kraft Parteiwillens zu schließen, auch wenn der Mieter im Einzelfall während des Mietverhältnisses einer Erhöhung zugestimmt hatte.
3. In der Regel spricht eine Vermutung dafür, daß durch die Hinzumietung weiterer Räume der ursprüngliche Mietvertrag lediglich erweitert, ansonsten aber nicht verändert wird.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Das AG hat zu Recht die Ansicht vertreten, daß das zwischen Herrn H. sen. und den Beklagten begründete Rechtsverhältnis als Mietverhältnis i.S.v. §§ 535 ff. BGB zu beurteilen ist. Ein Mietvertrag liegt immer dann vor, wenn eine Sache aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags zur entgeltlichen Benutzung überlassen wird. So liegen die Dinge hier: Nach dem Vertrag v. 23.3.1962 wurden den Beklagten zwei Zimmer in dem Hause überlassen. Als Gegenleistung hierfür verpflichteten sich die Beklagten, einen monatlichen Betrag von DM 100,- zu bezahlen.
Der Umstand, daß das Rechtsverhältnis "auf Lebenszeit unkündbar" sein sollte, steht der Annahme eines Mietvertrags nicht entgegen, wie unmittelbar aus § 567 S. 2 BGB folgt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob das vereinbarte Entgelt im Hinblick auf gewisse Arbeitsleistungen der Beklagten bei der Erstellung des Hauses besonders niedrig festgesetzt worden ist: Ein niedriges Entgelt (sogenannte Gefälligkeitsmiete) ändert an der rechtlichen Beurteilung eines Vertragsverhältnisses als Mietvertrag nichts. Ein solches Vertragsverhältnis bleibt selbst dann ein Mietvertrag, wenn das Entgelt nur die laufenden Unkosten deckt oder wenn es überhaupt nicht kostendeckend sein sollte. Schließlich ist das Vertragsverhältnis von den damaligen Vertragspartnern als "Mietvertrag" bezeichnet und als typisches Mietverhältnis ausgestaltet worden.
2. Das AG hat weiter die Ansicht vertreten, aus dem Mietvertrag lasse sich nichts dafür herleiten, daß der Mietzins auf Lebenszeit der Beklagten unverändert bleiben soll. Dies ist deshalb nicht zutreffend, weil § 1 S. 3 MHG bestimmt, daß das Recht zur Mieterhöhung nicht besteht, "soweit und solange eine Erhöhung durch Vereinbarung ausgeschlossen ist oder der Ausschluß sich aus den Umständen, insbesondere der Vereinbarung eines Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit mit festem Mietzins ergibt".
Zu den Mietverhältnissen auf bestimmte Zeit zählen nach herrschender Meinung auch Mietverhältnisse auf Lebenszeit (Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 5. Aufl., C 37; Emmerich-Sonnenschein, Mietrecht, § 1 MHG Rn. 16; Sternel, Mietrecht, III 94; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 2. Aufl., § 141 Rn. 7; Barthelmess, Miethöhegesetz, § 1 MHG Rn. 34, jew. m.w.N.). Liegt ein Mietverhältnis auf Lebenszeit vor, und ist auch kein Mieterhöhungsvorbehalt oder eine Mieterhöhungsklausel vereinbart, ist regelmäßig auf den Ausschluß der Mieterhöhung kraft Parteiwillens zu schließen (Begr. d. BReg. zum Entw. des 2. WKSchG BT-Drs. 7/2011).
So liegen die Dinge auch hier: In § 2 MV ist vereinbart, daß das Mietverhältnis "auf Lebenszeit unkündbar" sein soll. Ein Erhöhungsvorbehalt ist in dem Vertrag nicht enthalten. Daraus folgt, daß die Mieterhöhung generell nach § 1 S. 3 MHG ausgeschlossen ist. Der Umstand, daß das MHG erst lange Zeit nach dem Vertragsschluß in Kraft getreten ist, steht dieser Rechtsfolge nicht entgegen. Die Regelung in § 1 MHG ordnet keinen Mieterhöhungsausschluß kraft Gesetzes an, sondern stellt klar, daß in Fällen des vertraglich gewollten Erhöhungsausschlusses durch das MHG kein eigenständiges gesetzliches Mieterhöhungsrecht begründet werden sollte.
3. Der Bevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß in der Vergangenheit die Miete erhöht worden sei; dies zeige, daß eine Mieterhöhung nach den Vorstellungen der Parteien nicht ausgeschlossen sein sollte. Demgegenüber vertritt die Kammer die Ansicht, daß eine einmalige freiwillige Mieterhöhungsvereinbarung kein Indiz für die Zulässigkeit künftiger Mieterhöhungen darstellt. Der generelle Ausschluß der Mieterhöhungsmöglichkeit steht einer freiwilligen Erhöhungsvereinbarung im Einzelfall nicht entgegen. Es wäre auch sachwidrig, wollte man dem Mieter wegen eines einmaligen Entgegenkommens Rechtsnachteile für die Zukunft auferlegen.
4. Weiter hat der Bevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß die Beklagten nach Abschluß des ursprünglichen Mietvertrags weitere Räume hinzugemietet haben; deshalb sei eine Mieterhöhung zumindest hinsicht...