Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bemessung von Vergleichsmieten
Orientierungssatz
1. Überschreitet der Mietzins für Wohnraum die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20%, so ist diese Vereinbarung insoweit unwirksam. Das Gericht hat diesen Verstoß gegen die Wirtschaftsordnung von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Den Ausgangspunkt für die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenze iS des WiStrG § 5 bildet die zulässige Vergleichsmiete für die Bezugswohnung und nicht der Höchstwert einer Bandbreite abstrakt vergleichbarer Wohnungen. Die abweichenden Verwaltungsrichtlinien der Bundesländer "zur wirksamen Bekämpfung von Mietpreisüberhöhungen" widersprechen insoweit dem Sinn und Zweck des WiStrG § 5.
3. Wegen Mängeln der Wohnung, die bei der Berechnung der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete als wohnwertbildendes Kriterium nicht zu berücksichtigen sind, ist der Mieter zur Minderung des zulässigen Mietzinses berechtigt.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 29.6.1974 einen Mietvertrag (I/13ff) über eine im Hinterhaus gelegene, 63,69 qm große Wohnung im Hause des Klägers in M.. Der Grundmietzins betrug 275,-- DM. Für Nebenkosten (Wasser, Müll, Kaminfeger) und für die Mitbenutzung von Möbeln hatte der Beklagte, der im Laufe des Berufungsverfahrens ausgezogen ist, pauschal 50,-- DM monatlich zu zahlen. Der Beklagte ist Gastarbeiter.
In den Monaten März, April und Mai 1975 zahlte der Beklagte nur 80,-- DM an Miete und Nebenkosten. In einem Anwaltsschreiben vom 28.1.1975 hatte er diese Mietminderung angekündigt und sie darauf gestützt, daß die Wände der Wohnräume infolge Feuchtigkeitseinwirkungen völlig versport und die Möbel bei seinem Einzug nicht vorhanden gewesen seien.
Der Kläger hat behauptet, das Anwaltsschreiben erst am 6.5.1975 erhalten zu haben. Die Möbel habe der Beklagte selbst entfernt. Die Feuchtigkeitsschäden gingen darauf zurück, daß der Beklagte in der Wohnung ständig Wäsche wasche und trockne; außerdem hielten sich entgegen den Vereinbarungen im Mietvertrag dort 7 bis 10 Personen auf.
Der Kläger hat daher beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
an den Kläger 735,-- DM nebst 9,5% Zinsen seit 22.1.1975 zu zahlen.
Der Beklagte hat unter Hinweis auf die Feuchtigkeitsschäden und das Fehlen der Möbel bei Einzug
Klagabweisung,
hilfsweise Vollstreckungsschutz
beantragt.
Das Amtsgericht Mannheim hat durch Urteil vom 8.8.1975 den Beklagten bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen antragsgemäß verurteilt. Auf die Entscheidungsgründe (I/25f) wird verwiesen.
Gegen das Urteil hat der Beklagte am 21.8.1975 Berufung eingelegt, die er am 22.9.1975 begründet hat.
Er meint, daß es für die Wirksamkeit der Mängelanzeige gemäß § 545 Abs 2 BGB lediglich auf die Absendung, nicht aber auf den Zugang ankomme. Im übrigen habe es der Kläger zu vertreten, wenn Postsachen ihm nicht zugestellt werden könnten. In der Sache wiederholt er seinen erstinstanzlichen Vortrag und behauptet, daß die Wohnung gegen Regen undicht und allgemein gegen Feuchtigkeit ungenügend isoliert gewesen sei. Gleichzeitig räumt er ein, daß in der Wohnung Wäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt worden sei. Bezüglich der Mitbenutzung der Möbel habe ein selbständiger Mietvertrag bestanden, so daß es nicht darauf ankomme, daß der Beklagte schon bei Einzug das Fehlen der Möbel rügelos hingenommen habe. Jedenfalls sei eine Herabsetzung des vereinbarten Mietzinses um 60% aus seiner Sicht gerechtfertigt.
Der Beklagte beantragt daher:
Das Urteil des Amtsgerichts Mannheim, AZ: 10 C 241/75 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, er habe es nicht zu vertreten, daß das Einschreiben mit der Minderungsankündigung ihn nicht erreicht habe. Er sei immer ordnungsgemäß gemeldet und auch sein Briefkastenschild und Türschild sei in Ordnung gewesen. Zu den Feuchtigkeitsschäden sei es nur gekommen, weil zeitweise bis zu 10 Personen in der Wohnung gewohnt hätten und dort ständig Wäsche gewaschen und getrocknet worden sei. Die Möbel habe der Beklagte selbst aus der Wohnung geschafft.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einnahme eines Augenscheins. Auf das Gutachten (II/30ff), die Niederschrift über die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen (II/45f) und das Augenscheinsprotokoll (II/54) wird Bezug genommen.
In den Terminen zur mündlichen Verhandlung vom 6.5.1976 und 22.7.1976 wurden die Parteien darauf hingewiesen, daß der vereinbarte Mietzins die ortsübliche Vergleichsmiete überschreiten könnte, und daß diese Frage anhand des im Auftrag der Stadtverwaltung M. erstellten "Gutachtens zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten in M. 1975" unter dem Gesichtspunkt einer Mietpreisüberhöhung nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (=WiStG) geprüft werde. Die Parteien haben zu der Frage keinerlei Stellungnahme abgegeben, obwohl dazu Gelegenheit bestand.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 511ff ZPO zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger stehen für d...