Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Eigenbedarfskündigung 5 Monate nach Mietvertragsabschluß. Wohnraummiete: Rechtsmißbrauch
Leitsatz (amtlich)
Wenn sich eine Adoptionsmöglichkeit für den Vermieter erst 5 Monate nach Abschluß des Mietvertrages ergibt und die Familie sich durch die Adoption vergrößert, kann der Eigenbedarfskündigung nicht Rechtsmißbrauch entgegengehalten werden.
Tenor
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 05.05.1993 (8 C 97/93) im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm bewohnte Wohnung im Hause der Klägerin, ... bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad und Zubehör zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2.) Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.03.1994 bewilligt.
3.) Die Kosten beider Instanzen trägt der Beklagte.
Tatbestand
(abgekürzt und ohne Tatbestand gem. § 543 ZPO)
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung ist begründet.
1.) Die Klägerin hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 19.01.1993 zum 30.04.1993 wegen Eigenbedarfs für ihre Enkelin und deren Familie gekündigt. Die Kündigung hat das Mietverhältnis beendet.
a.) Der Kündigungsgrund des § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB liegt vor. Die Enkelin ist Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift. Von einem Eigennutzungswillen im Zeitpunkt der Kündigung ist auszugehen. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß sie mit ihrer Familie zwischenzeitlich in die benachbarte Zwei-Zimmer-Wohnung gezogen ist, die, wie sie unbestritten vorgetragen hat, mit der streitgegenständlichen Wohnung verbunden werden soll.
b.) Die Geltendmachung des Eigenbedarfs ist auch nicht rechtsmißbräuchlich.
Ein Rechtsmißbrauch liegt vor, wenn sich der Vermieter auf einen Eigenbedarf beruft, der bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestand.
Vorliegend hat die Klägerin dem Beklagten zunächst einen befristeten Mietvertrag angeboten unter Hinweis darauf, daß sie eventuell später die Wohnung der Enkelin überlassen wollte. Nachdem der Beklagte dies abgelehnt hatte, wurde ein unbefristeter Vertrag geschlossen.
Die Enkelin hatte zum damaligen Zeitpunkt zwei adoptierte Kinder. Die Adoption eines weiteren Kindes war nicht geplant, ein entsprechender Antrag war nicht gestellt. Ende Juni 1992 wurde der Familie mitgeteilt, daß ein Mädchen adoptiert werden könnte. Da es sich bei den beiden ersten Kindern um Jungen handelte, hatte man sich zur Adoption des dritten Kindes entschlossen.
Es ist anerkannt, daß der Vermieter ein berechtigtes Kündigungsinteresse hat, wenn später neue Umstände eintreten, durch die ein früher zurückgestelltes Interesse des Vermieters an den Räumen erheblich verstärkt wird (Schmidt/Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Rn. B 634).
Eine solche Konstellation ist vorliegend gegeben. Bei Vertragsschluß konnte die Vermieterin von einer vierköpfigen Familie ihrer Enkelin ausgehen, die Erweiterung auf drei Kinder war damals nicht vorhersehbar. Die Adoptionsmöglichkeit ergab sich erst fünf Monate nach Vertragsabschluß, ohne daß ein entsprechender Antrag gestellt war.
2.) Bei der Gewährung der Räumungsfrist wurde berücksichtigt, daß der Beklagte, zumal er in der ersten Instanz obsiegt hat, bisher keine Veranlassung hatte, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen. Andererseits besteht ein dringendes Erlangungsinteresse der Vermieterin, da die Enkeltochter mit ihrer Familie zur Zeit in beengten Wohnverhältnissen lebt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Fundstellen