Verfahrensgang
AG Mönchengladbach-Rheydt (Urteil vom 20.04.1990; Aktenzeichen 15 C 673/89) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. April 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt – Az: 15 C 673/89 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Auf ihren Hilfsantrag hin wird den Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 1991 eingeräumt.
Gründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat mit Recht die auf eine Überbelegung der durch die Beklagten angemieteten Wohnung gestützte, in eine fristgemäße gemäß den §§ 564 b Abs. 1, 565 Abs. 2 BGB umgedeutete Kündigung der Klägerin vom 16.11.1989 für wirksam erachtet und die Beklagten dementsprechend zu Recht zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt.
Die von den Beklagten und ihren 5 Kindern, also von 7 Personen bewohnte – nur 49 m_ große – Wohnung ist überbelegt. Die Überbelegung, die zu Feuchtigkeitserscheinungen und Schimmelpilzbefall führen kann und offenbar auch schon geführt hat, stellt wegen der erhöhten Abnutzung und Beeinträchtigung der Wohnung zwar nicht unbedingt eine erhebliche Vertragsverletzung der Beklagten dar, weil es das natürliche und im Mietvertrag auch stillschweigend vorausgesetzte Recht eines Mieters ist, neu geborene Kinder in die Mietwohnung mit aufzunehmen. Das berechtigte Interesse der Klägerin, im Falle einer Überbelegung der Wohnung das Mietverhältnis zu kündigen, ist aber in seinem Gewicht den in § 564 b Abs. 2 BGB aufgeführten Beispielsfällen (Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch den Mieter, Eigenbedarf des Vermieters, Hinderung des Vermieters an angemessener wirtschaftlicher Nutzung) in seinem Gewicht vergleichbar (vgl. hierzu Rechtsentscheid des OLG Hamm vom 06.10.1982 – 4 ReMiet 13/81 – in NJW 1983, 48 f). Dieses Interesse berechtigte die Klägerin jedenfalls zur fristgemäßen Kündigung des, Mietverhältnisses. Spätere Rechtsentscheide – wie z.B. der des BayOBLG vom 14.09.1983 – ReMiet 8/83 – in NJW 1984, 60 und der des OLG Karlsruhe vom 16.03.1987 – ReMiet 1/87 – in ZMR 1987, 263 ff. – halten sogar nach Abmahnung des Mieters in derartigen Fällen eine fristlose Kündigung gemäß § 553 BGB für rechtens. Dies wird zum Teil damit begründet, daß die zu einer Überbelegung führende Vergrößerung der Familie erst im Laufe eines längeren Zeitraums entsteht, weswegen der Mieter die Möglichkeit hat, sich rechtzeitig langfristig nach einer größeren Wohnung umzusehen. Im Streitfall war es zwar so, daß zu Beginn des Mietverhältnisses die Familie der Beklagten bereits aus 5 Personen (2 Erwachsenen und 3 Kindern) bestand. Hiermit dürfte die Kapazität der Wohnung aber erreicht gewesen sein. Nachdem sich die Familie der Beklagten um 2 weitere Kinder vergrößert hatte, oblag es letzteren, sich um angemessenen, der Größe der Familie entsprechenden Ersatzwohnraum umzusehen, nachdem unstreitig der Zeuge Gehrke sie auf diese Notwendigkeit hingewiesen hatte.
Die Beklagten können sich gegen die Kündigung und das Räumungsverlangen der Klägerin nicht mit Erfolg mit der Behauptung zur Wehr setzen, daß die Klägerin ihnen eine adäquate Ersatzwohnung zugesagt, ihnen diese bisher aber nicht zur Verfügung gestellt habe. In Anbetracht des berechtigten Interesses der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses kann die von den Beklagten behauptete Zusage nicht anders angesehen werden als das Bemühen der Klägerin um eine vergleichsweise Regelung. Nachdem diese letztlich nicht gelungen ist, ist hierdurch die Berechtigung der Klägerin zur Kündigung und ihres Räumungsverlangens nicht berührt.
In Anbetracht dessen, daß die Beklagten erhebliche Schwierigkeiten haben dürften, für ihre große Familie eine sowohl der Wohnfläche nach als auch ihren finanziellen Verhältnissen entsprechende angemessene Ersatzwohnung in kurzer Zeit zu finden, hielt die Kammer eine Räumungsfrist von nahezu einem halben Jahr für erforderlich und angemessen. Die Interessen der Klägerin an einer derart langen Räumungsfrist werden nicht unangemessen tangiert, da es ihr zuzumuten ist, den seit mehr als einem Jahr bestehenden Zustand der Überbelegung auch noch für ein weiteres halbes Jahr hinzunehmen. Darüber hinaus dürfte auch die Klägerin als Vermieterin einer Vielzahl von Wohnungen die Möglichkeit haben, die Beklagten mit angemessenem Ersatzwohnraum in absehbarer Zeit zu versorgen, wenngleich sie hierzu nicht verpflichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wert der Berufung: 2.962,80 DM
(246,90 DM × 12).
Unterschriften
Diez-Holz, Kluge, Lowinski
Fundstellen