Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2011 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 13.09.2007 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung.
Am 13.09.2007 nahmen die beiden betagten Parteien – die Klägerin war damals 76 Jahre alt – an der Rentnerwallfahrt am”…” teil. Die Parteien, die nicht gemeinsam angereist waren, gingen zufällig nebeneinander her, wobei die Beklagte den Gehweg und die Klägerin die Straße benutzte. Plötzlich und aus unbekannter Ursache stürzte die Beklagte und riss dabei die Klägerin unabsichtlich mit um. Die Beklagte stand nach dem Sturz wieder auf und entfernte sich. Die Klägerin schlug bei dem Sturz unglücklich mit dem Kopf auf, verletzte sich schwer und konnte nicht selbst wieder aufstehen. Sie wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde unter anderem eine Oberschenkelfraktur festgestellt. Eine erste Operation mit Einfügung eines Nagels fand am 14.09.2007 im Krankenhaus statt. Eine zweite Operation mit Befestigung einer Platte erfolgt am 15.01.2008, jeweils verbunden mit einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt. Weiter folgte eine mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahme. Wegen der genauen Unfallfolgen wird auf die ärztlichen Berichte/Bescheinigungen vom 27.10.2007, 26.02.2008, 24.11.2008 und 16.04.2009 (Blatt 14, 15, 16, 19 der Akten) verwiesen.
Die operativ eingefügte Platte ist bis heute nicht entfernt worden. Ob dies noch erfolgen wird ist ungewiss.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe schuldhaft ihren Sturz verursacht. Ein Schmerzensgeld in Höhe von rund 5.000 EUR sei angemessen.
Die Klägerin stellt die Anträge,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 5.000 EUR, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bezahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 13.09.2007 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine willensgesteuerte Handlung der Beklagten liege nicht vor, da die Beklagte die Klägerin nur reflexhaft umgerissen habe. Auch wird die Höhe des Schmerzensgeldes bestritten.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Terminsprotokolle sowie den PKH-Beschluss des Landgerichts vom 24.03.2011 (Blatt 40 der Akten) und den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 30.05.2011 (PKH-Heft) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin aus den §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu.
Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, wie er von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemacht wird, ist eine Handlung der in § 823 BGB bezeichneten Art. Dies ist ein menschliches Tun, welches der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegt und somit beherrschbar ist. Keine Handlung ist danach eine körperliche Bewegung, die unter physischem Zwang ausgeführt oder als willkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst wird.
Zwar mögen die dem Stolpern der Beklagten nachfolgenden Handlungen (Gleichgewichtsverlust, Kontrollverlust über den eigenen Körper, Sturz) keine solche Handlung im vorbezeichneten Sinne sein. Der Sturz war aber nicht durch fremde Einwirkung, sondern durch das eigene Verhalten der Beklagten ausgelöst worden. Für die Frage, ob eine den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erfüllende Handlung der Beklagten vorliegt, ist entgegen der Auffassung der Beklagten auf das den Sturz der Beklagten auslösende Verhalten und nicht auf die infolge des Sturzes erfolgte Einwirkung auf die Klägerin abzustellen. Maßgeblich ist also, ob die Klägerin schuldhaft gestürzt ist.
Weshalb die Beklagte in Stolpern geraten ist, trägt sie nicht vor. Danach spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass derjenige, der auf einem Gehweg stürzt, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat, sofern nicht objektiver Umstände vorliegen, die eine andere, nicht von ihm zu vertretende Ursache als möglich erscheinen lassen (vergl. OLG Düsseldorf in: OLGR Düsseldorf 1997, 242; OLG Jena vom 30.05.2011, Az. 1 W 266/11).
So li...