Leitsatz (amtlich)
I. Für die wohnungseigentumsrechtliche Einordnung der Nutzung einer Wohnung ist nur darauf abzustellen, welche Nutzung in der Wohnung selbst stattfindet. Wenn die Teilungserklärung nichts anderes bestimmt und die Wohnungseigentümer nichts anderes vereinbart haben, ist die Vermietung einer Eigentumswohnung an wechselnde Mieter auch für jeweils unter drei Monaten, z.B. an sog. „Medizintouristen”, Teil der zulässigen Wohnnutzung.
(Anschluss an BGH, Urteil vom 15.1.2010 – V ZR 72/09)
II. Wird ein Unterlassungsanspruch nicht gegen einen störenden Mieter, sondern gegen den Wohnungseigentümer als Vermieter geltend gemacht, so kann bei Kurzzeitvermietungen unter drei Monaten eine zurechenbare Wiederholungsgefahr i.S.d. § 1004 BGB nur angenommen werden, wenn mindestens zwei Beeinträchtigungen durch unterschiedliche Mietparteien vorliegen oder besondere Umstände, die von dem Fehlverhalten einer Mietpartei auf ein solches auch durch künftige Mietparteien schließen lassen. Zudem bedarf es für eine aktuell bestehende Wiederholungsgefahr zeitnaher Vorfälle.
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 483 C 2720/14 WEG) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts, wird zurückgewiesen.
2. Auf die in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge zu 1 und zu 6 werden die Beklagten verurteilt, dafür zu sorgen, dass
- Bewohner ihrer Eigentumswohnungen nicht zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr derart laut lärmen (insbesondere im Innenhof oder am geöffneten Fenster/an der geöffneten Terrassentür laut telefonieren, laut rufen, laut sprechen oder laut fernsehen), dass die übrigen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt werden;
- Bewohner ihrer Eigentumswohnung nicht derart intensive Gerüche von Weihrauch, ähnlichen Räucherduftstoffen, Shisha- oder Pfeifenrauch in den Hausfluren und in den Wohnungen anderer Wohnungseigentümer verursachen, dass die übrigen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt werden.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorgenannten Verpflichtungen wird den Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR (im Betrag berichtigt mit Beschluss vom 9.3.2016) und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Im Übrigen werden die in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge abgewiesen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
5. Das Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus Ziff. 2 dieses Urteils kann der Vollstreckungsschuldner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 93.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
A.
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie fordert mit dem Hauptantrag von den Beklagten, Mitgliedern der Klägerin, es zu unterlassen, drei Eigentumswohnungen für weniger als drei Monate, insbesondere als Ferienwohnungen zu vermieten. Dabei handele es sich um eine nach der Teilungserklärung zweckbestimmungswidrige Nutzung. Nachdem sie vor dem Amtsgericht unterlag, verfolgt die Klägerin mit der Berufung das Ziel, das Amtsgerichtsurteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise stellt sie in der Berufungsinstanz erstmals 19 Hilfsanträge, mit denen konkrete Nutzungsweisen untersagt werden sollen.
Für die Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagten sind die Eigentümer der Wohnungen in der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Es handelt sich um eine größere Anlage im Stadtgebiet.
Die Beklagten bieten ihre Wohnungen im Internet zur kurzfristigen nicht dauerhaften Vermietung an und erhalten von arabischen Mietern, die zur medizinischen Behandlung nach München kommen, bis zu EUR 3.600,- Miete pro Monat für eine rund 60 qm große Wohnung (Anlage K1, Anlage B5). Mit Schreiben vom 12.12.2013 wurden die Beklagten aufgefordert, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. Die Beklagten lehnten das mit Schreiben vom 17.12.2013 ab.
In der Teilungserklärung ist die Einheit Nummer als „Wohnung mit Kellerraum”, die Einheiten Nummern sind jeweils als „Büro mit Kellerraum” umschrieben (Anlage K 10). Die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung vom 26.6.1998 enthält unter anderem folgende Regelungen (Anlage K9):
§ 3 Umfang der Nutzung
(…)
2. Wohnungen ...