Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigte Eigenbedarfskündigung aus beruflichen Gründen. ungerechtfertigte Härte wegen Pflegebedürftigkeit des Kindes des Mieters

 

Orientierungssatz

1. Begründet der Vermieter eine Eigenbedarfskündigung damit, daß er aus beruflichen Gründen eine größere Wohnung benötige, so entspricht eine solche Kündigung noch den formellen Anforderungen des BGB § 564b Abs 3.

2. Für den Eigenbedarf sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits vernünftige, nachvollziehbare Gründe ausreichend (vergleiche BayObLG München, 1984-12-11, Re-Miet 10/83, WuM 1985, 50; BVerfG, 1989-02-14, 1 BvR 308/88, WuM 1989, 114 und BGH, 1988-01-20, VIII ARZ 4/87, NJW 1988, 904). Einen solchen vernünftigen, nachvollziehbaren Grund stellt es dar, wenn ein im Berufsleben stehender Erwachsener größeren Wohnraum für sich beansprucht.

3. Krankheit und Gebrechen des Mieters oder dessen Angehörigen und damit verbundene besondere Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum stellen einen Härtegrund iS des BGB § 556a Abs 1 dar (vergleiche LG Kassel, 1965-01-07, 1 S 217/64, MDR 1965, 831 und LG Mannheim, 1970-02-04, 5 S 110/69, WuM 1970, 61). Demgemäß ist es interessengerecht, wenn sich der Mieter im bisherigen Wohnraum um eine Ersatzwohnung bemüht weil sein pflegebedürftiges Kind auf die Hilfe der ebenfalls im Wohnbezirk lebenden sonstigen Verwandten angewiesen ist.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Mietverhältnis ist gem. § 556a BGB bis zum 30.6.1990 fortzusetzen.

1. Festzustellen ist zunächst, daß die Eigenbedarfskündigung v. 10.3.1987 wirksam ist. In der Kündigung v. 10. 3.1987 wird von der Klägerin erklärt, daß sie aus beruflichen Gründen eine größere Wohnung benötigt. Diese Kündigung entspricht noch den formellen Anforderungen des § 564b Abs. 3 BGB. Entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung (BayObLG ZMR 1985, 96 (= WM 1985, 50)) reicht es als Begründung aus, daß der Kündigungsgrund durch Angabe der Tatsachen so ausführlich bezeichnet wird, daß er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen (Sachverhalt) unterschieden werden kann. Dies ist aufgrund der von der Klägerin gegebenen Begründung möglich.

Gemäß der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil v. 14.2.1989 (= WM 1989, 114)) und des BGH (NJW 1988, 904 (= WM 1988, 47)) sind für den Eigenbedarf bereits vernünftige, nachvollziehbare Gründe ausreichend. Einen solchen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund stellt es dar, wenn eine im Berufsleben stehende Erwachsene größeren Wohnraum für sich beansprucht. Unstreitig bewohnt die Klägerin derzeit eine 54 qm große Wohnung, während die streitgegenständliche Wohnung 89 qm umfaßt.

Da sich die streitgegenständliche Eigenbedarfskündigung bereits aus vorgenannten Gründen als wirksam erweist, ist nicht mehr darauf einzugehen, ob der weitere, in der Kündigung genannte Eigenbedarfsgrund, nämlich die beabsichtigte Heirat, tatsächlich vorgelegen hatte oder nicht.

2. Das Mietverhältnis ist jedoch unter Abweisung der Räumungsklage gem. § 556a BGB fortzusetzen, da die vertragsgemäße Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagte eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen ist.

a) Als Härte i.S. des § 556a BGB für die Beklagte ist es zu werten, daß für sie die Suche nach Ersatzwohnraum wegen ihres schwer behinderten Kindes mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Es ist unstreitig und im übrigen aufgrund der Behinderung des Kindes auch selbstverständlich, daß dieses zur Betreuung auf bestimmte Bezugspersonen, nämlich die Eltern aber auch Schwester und Schwager der Klägerin, angewiesen ist. Daraus ergibt sich, daß für die Beklagte wegen der Behinderung ihres Kindes es darauf ankommt, eine Wohnung in der Nähe der bisherigen zu erhalten, um auch so wie bisher eine Pflege des Kindes nicht nur durch die Eltern, sondern auch durch die Schwester der Beklagten und deren Ehemann zu gewährleisten. Daß dieser Pflegedienst zumindest dann sehr erschwert werden würde, wenn die Schwester oder der Schwager erst quer durch die Stadt fahren müßten, liegt auf der Hand. Dadurch ist sicherlich die Suche nach Ersatzwohnraum, die ohnehin wohl für eine Familie mit behindertem Kind nicht einfach ist, noch zusätzlich erschwert. Daß Krankheit und Gebrechen des Mieters oder dessen Angehörigen und damit verbundene besondere Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum einen Härtegrund i.S. des § 556a BGB darstellen, entspricht ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre (vgl. Emmerich-Sonnenschein, Handkommentar § 556a BGB Anm. 22; LG Kassel MDR 1965, 831; LG Mannheim WM 1970, 61).

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerin, der Beklagten oder ihrem Ehemann sei zuzumuten, die Arbeit aufzugeben, um sich völlig der Pflege des Kindes zu widmen. Unstreitig arbeiten die Beklagte und ihr Ehemann jeweils nur halbtags, woraus sich bereits ergibt, daß diese nicht als klassische "Doppelverdiener" angesehen...

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