Leitsatz (amtlich)
1. Verweigert der klagende Insolvenzverwalter den nach §§ 177 a, 130 a III HGB in Anspruch genommenen Geschäftsführern Akteneinsicht, obwohl die geltend gemachten über 750 Einzelzahlungen fast fünf Jahre zurückliegen, kehrt sich die Darlegungslast für die Frage, ob diese Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers im Sinn von § 130 a II 2 HGB vereinbar sind, zu Lasten des klagenden Insolvenzverwalters um.
2. Die Zahlung fälliger Umsatzsteuerschulden ist mit dieser Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vereinbar (Erweiterung von BGH II ZR 48/06 vom 14.5.2007).
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter der Txxx GmbH Co. KG (im Nachfolgenden: Schuldnerin) die Erstattung von Zahlungen, welche die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer zu Lasten der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst haben sollen.
Die Schuldnerin war die Holdinggesellschaft der gesamten Kxxx-Gruppe, die mindestens Mehrheitsbeteiligungen an ihren drei "Säulen" Kxxx GmbH Co. KG a.A. (im Folgenden: Kxxx, Kxxx GmbH Co. KG a.A. (im Folgenden: Kxxx) und Kxxx GmbH Co. KG (im Folgenden: Kxxx) hielt.
Diese drei Säulen gliederten sich ihrerseits wiederum in eine Vielzahl von Tochter- und Enkelgesellschaften. Sitz der Schuldnerin war Ixxx bei Mxxx.
Geschäftsführende Komplementärin der Schuldnerin war die Kxxx GmbH, die ihrerseits von den sechs Beklagten geführt wurden.
Am 6.7.2000 verbuchte die Schuldnerin im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr 1999 einen Gewinnanteil in Höhe von rd. DM 372 Mio. zugunsten des Beklagten zu 1) auf dessen variablem Kapitalkonto.
Am 13.12.2001 verlängerte die Dxxx AG einen Kredit der Schuldnerin über EUR 460 Mio., der am 7.12.2001 fällig geworden war, mit einer Laufzeit bis zum 8.4.2002.
Am 9.1.2002 prolongierte die Bxxx den Kredit zugunsten der Schuldnerin in Höhe von EUR 355 Mio. bis zum 30. Juni 2003, die Cxxx prolongierte den Kredit in Höhe von rd. EUR 358 Mio. am 17. Januar 2002 bis zum 30.6.2002.
Am 4.2.2002 gab der damalige Vorstandsvorsitzende der DxxxBank, Herr Dr. xxx Bxxx, dem Fernsehsender Bxxx ein Interview, in welchem er dem Kxxx die Kreditwürdigkeit absprach.
Am 9.2.2002 traf sich Herr Dr. Bxxx mit dem Beklagten zu 1) in dessen Büro und erklärte, wie Herr Dr. Bxxx später in einer eidesstattlichen Versicherung vom 30. Mai 2002 wörtlich ausführte, folgendes:
„Ferner habe ich Herrn Dr. Kxxx die Unterstützung der Dxxx AG bei der Neustrukturierung seiner Unternehmensgruppe angeboten. Ich habe betont, dass die DxxxBank aufgrund ihrer starken Position auf dem deutschen Finanzmarkt besonders geeignet sei, hierbei als „Schutzschild” zu wirken.”.
Jedenfalls seit dem 20.2.2002 wurden die Beklagten durch die Restrukturierungsberater Bxxx, Zxxx und den auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwälten Gxxx und Sxxx beraten. Dabei teilten die Sanierungsberater mit, dass sie kurzfristig nicht in der Lage seien, ein Sanierungsgutachten zu erstellen.
Am 26. Februar 2002 veranlasst der Beklagte zu 1) unter Verrechnung auf seine Gewinnauszahlungsansprüche eine Überweisung von EUR 2,5 Mio. vom Konto der Schuldnerin bei der CxxxBank an sich selbst und eine Überweisung von EUR 4 Mio. von Kxxx auf das Konto der Schuldnerin.
Bis zum 7.4.2002 erfüllte – zwischen den Parteien unstreitig – die Schuldnerin sämtliche fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, also außerhalb des Konzerns oder ggü. Gesellschaftern.
Am 8.4.2002 stellte Kxxx Insolvenzantrag. In der Folgezeit wurden bis zum 29.4.2002 die Beklagten zu 2) bis 6) als Geschäftsführer abberufen.
Am 8.5.2002 stellte Kxxx Insolvenzantrag, am 12.6.2002 die Schuldnerin sowie die Kxxx Beteiligung.
Am 13.9.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am 18.2.2003 gab das Landgericht München I der Klage u.a. der Schuldnerin (die sich in diesem Prozess durch Dritte infolge Abtretung vertreten ließ) auf Schadensersatz dem Grunde nach gegen die DxxxBank AG und Herrn Dr. Bxxx als ihren damaligen Vorstandssprecher in vollem Umfang statt, mit der Folge, dass das Landgericht die Beklagten DxxxBank und Dr. Bxxx verpflichtet ansah, u.a. der Schuldnerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch die Äußerungen von Dr. Bxxx im Fernsehinterview vom 4.2.2002 entstanden seien. Mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 10.12.2003 wurde dieses landgerichtliche Urteil bestätigt.
Mit Urteil vom 24.1.2006 schränkte der BGH die Haftung der DxxxBank und von Dr. Bxxx insbesondere gegenüber der Schuldnerin ein, bestätigte jedoch insbesondere eine Haftung dem Grunde nach zum Schadensersatz, die der Pxxx GmbH, einer Konzerngesellschaft der Schuldnerin, aus den oben angeführten Interviewäußerungen...