Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen eines Mietmangels
Orientierungssatz
1. Der Mieter kann ein Zurückbehaltungsrecht nur geltend machen, wenn er sich selbst vertragstreu verhalten hat.
2. Die Höhe des Zurückbehaltungsanspruchs kann nicht generell mit einem Mehrfachen des Minderungsbetrags angesetzt werden, er muß vielmehr nach objektiven Kriterien bestimmt werden.
3. Irrt der Mieter über die Höhe der zulässigen Mietminderung, beseitigt dies das Verschulden hinsichtlich des Verzuges iSv BGB § 554. Dies gilt aber nicht für ein außerdem ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht nach BGB § 320 Abs 2.
4. Die Mietminderung wegen eines Mangels der Mietsache bezieht sich bei Bruttokaltmieten nur auf den Nettomietanteil.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 20.8.98 aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die im 4. Obergeschoß des Anwesens Istraße ..., Vordergebäude, ... München gelegene Wohnung, bestehend aus 6 Zimmern, 2 Küchen, 2 Bäder, 2 WC, Vorzimmer und Flur sowie das im Keller gelegene Kellerabteil zu räumen und herauszugeben.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen samt den Kosten der Nebenintervenienten.
IV. Dem Beklagten wird Räumungsfrist bis 30.9.1999 eingeräumt.
Tatbestand
Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO sieht das Berufungsgericht von der Darstellung des Tatbestands ab.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die fristlose Kündigung vom 15.10.96 hat das Mietverhältnis nach § 554 BGB wegen Zahlungsverzuges mit den Mieten Februar, August und September 1996 beendet.
1) Die Kündigung ist am 17.10.96 zugegangen, die Nachzahlung von 2 x 200,- DM geminderter Miete ist am 18.10.96 beim Kläger eingegangen, also erst nach Zugang der Kündigung. Es gilt Nachfälligkeit der Miete, da die anderslautende Vereinbarung im Mietvertrag unwirksam ist.
2) Für das nach § 320 BGB wegen Mängeln der Mietsache gegebene Zurückbehaltungsrecht ("ZBR") gilt § 552 a BGB nicht; es bedarf einer ausdrücklichen und vorherigen Geltendmachung nicht. Jedoch kann die Höhe des ZBR nicht mit einem mehrfachen des Minderungsbetrages generell angesetzt werden, sondern die Höhe ist nach objektiven Kriterien im Einzelfall festzusetzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß auf Vermieterseite durch Nichtzahlung der geminderten Miete nicht nur der monatliche Gewinn, sondern die Aufrechterhaltung der laufenden Lasten auf dem Anwesen einschließlich Betriebskosten beeinträchtigt wird und sich im Extremfall für den Mieter die Möglichkeit ergibt, monatelang vorübergehend kostenlos zu wohnen. Allerdings ergibt sich dann nach Wegfall des ZBR eine Nachzahlungspflicht in erheblicher Höhe, deren Nichterfüllung nach § 554 BGB rasch zu einer Beendigung des Mietverhältnisses führen kann.
3) Zudem setzt die Geltendmachung des ZBR eigene Vertragstreue des Mieters voraus. Diese fehlt hier, da die gesamte Februarmiete 96 nicht bezahlt worden ist.
Die begründete Minderung von 30 % wegen Mängeln der Mietsache - insoweit folgt die Kammer der Entscheidung des Amtsgerichts - bezieht sich nur auf den Nettomietanteil der hier vereinbarten Bruttokaltmiete, betrifft aber nicht den in ihr enthaltenen Anteil an Nebenkosten, da die Mängel diese nicht betreffen. Ein Irrtum über die Höhe der Minderungshöhe kann nach der Rechtsprechung das Verschulden des Vermieters hinsichtlich § 554 BGB beseitigen. Dies gilt jedoch nicht für die Ausübung eines zusätzlich zur Minderung geltend gemachten ZBR.
4) Damit hat das ZBR nach § 320 BGB den Verzug des Beklagten hinsichtlich der geschuldeten geminderten Mieten für Februar, August und September 1996 im Sinn des § 554 BGB nicht beseitigen können. Bei Zugang der Kündigung waren nämlich alle 3 Mieten einschließlich aller Betriebskosten auch in geminderter Höhe nicht bezahlt. Die Ausübung des ZBR an der geminderten Miete war unbegründet. Dies belegt im übrigen auch das Zahlungsverhalten des Beklagten selbst, der nach der Kündigung je 200,- DM für die Monate August und September bezahlt hat, allerdings dann zu spät.
5) Dem Beklagten war Räumungsfrist bis 30.9.99 einzuräumen, um ihm die Ersatzwohnraumsuche zu ermöglichen, (§ 721 ZPO).
Kosten: § 97 ZPO.
Streitwert Berufung: DM 26.078,- (§ 16 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 1734816 |
NZM 2000, 87 |