Nachgehend

OLG Hamm (Urteil vom 16.06.2009; Aktenzeichen I-9 U 200/08)

 

Tenor

1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger über die Verurteilung durch das Anerkenntnisurteil des Landgerichts Münster vom 14.03.2008 hinaus weitere 25.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2007 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden aus Anlass der Straftaten vom 22./23.07.2006 zu ersetzen, soweit etwaige Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

3. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, als weitere Nebenforderung 1.761,08 EUR Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers gem. Ziff. 1–3 aus unerlaubter Handlung resultieren.

5. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 1) zur Hälfte. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Beklagte zu 1) ist mehrfach, u.a. wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen vorbestraft. Er war seit Anfang 2006 bei einer Vertriebsagentur aus dem D. Raum beschäftigt, die dem Beklagten zu 2) Mitarbeiter als sog. Promoter für Werbeveranstaltungen zur Verfügung stellt. Am 22.07.2006 betreute der Beklagte zu 1) für den Beklagten zu 2) bei einem Volksfest im … einen Werbestand des Beklagten zu 2), der dort verschiedene Attraktionen, u.a. einen Überschlagssimulator aufgebaut hatte, die von den Besuchern benutzt werden konnten. Der Beklagte zu 1), der an seiner Kleidung als Mitarbeiter des Beklagten zu 2) zu erkennen war, war dort als Aufsichtsperson eingesetzt. Der Beklagte zu 1) kam mit dem Kläger und dessen Freunden, die sich wie viele andere Kinder auch für den Überschlagssimulator interessierten, in Kontakt. Gegen 21.00 Uhr nahm der Beklagte zu 1) den Kläger und einen weiteren Jungen unter einem Vorwand in seinem Pkw mit. Nachdem er den anderen Jungen hatte aussteigen lassen, entführte er den Kläger zu dem Campingplatz … in der Nähe von … Unterwegs schlug er dem Kläger in das Gesicht und führte sexuelle Handlungen an ihm aus. Der Beklagte zu 1) hielt auf dem Weg zu dem Campingplatz mehrmals an und schlug den Kläger mit einer Reitgerte und einem Hosengürtel mehrfach auf das nackte Gesäß und den rechten Oberschenkel. In einem Mobilheim auf dem Campingplatz kam es zu sexuellen Übergriffen des Beklagten zu 1). Er zwang den Kläger u.a. ihn oral zu befriedigen, wobei er den Kläger mit einem Küchenmesser bedrohte. Ferner schlug der Beklagte zu 1) erneut mit der Reitgerte auf den Kläger ein. Der Beklagte zu 1) fesselte den Kläger mit Klebeband und ließ ihn allein in dem Mobilheim über Nacht zurück. Am nächsten Tag kam es zu weiteren sexuellen Übergriffen des Beklagten zu 1). Nachdem es ihm gelungen war, seine Fesseln zu durchschneiden und aus dem Mobilheim zu fliehen, wurde der Kläger völlig verstört und unter Schock stehend von Besuchern des Campingplatzes aufgefunden, die ihn in ein Krankenhaus nach … brachten. Der Beklagte zu 1) hatte dem Kläger schwere Verletzungen zugefügt. Der Kläger hatte starke Verfärbungen der Haut und Schwellungen im gesamten Gesäßbereich sowie am rechten Oberschenkel und wies dort, an den Armen und dem Rücken striemige Verletzungen auf. An der Oberlippe hatte er eine Platzwunde. An Armen und Beinen fanden sich gravierende Fesselungsspuren. Die Verletzungen haben keine bleibenden körperlichen Schäden verursacht. Der Kläger ist allerdings bisher nicht in der Lage, das Geschehene psychisch zu verarbeiten. Er ist nicht in der Lage, über die Tat zu sprechen und verweigert darüber jede Kommunikation. Ob es ihm gelingen wird, das Geschehene angemessen zu verarbeiten, ist nicht absehbar. Das Landgericht Münster verurteilte den Beklagten zu 1) wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung und besonders schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Durch anwaltliches Schreiben vom 28.03.2007 würde der Beklagte zu 1) vergeblich zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses bis zum 25.04.2007 aufgefordert.

Der Kläger hält aufgrund der erlittenen körperlichen und seelischen Verletzungen und deren andauernde Folgen ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR für angemessen. Er meint, der Beklagte zu 2) hafte gesamtschuldnerisch neben dem Beklagten zu 1) gem. § 831 BGB. Der Beklagte zu 2) hafte als Geschäftsherr des Beklagten zu 1), wenn dieser im Zusammenhang mit den ihm übertragenen Aufgaben Schädigungshandlungen vornehme. Die Tätigkeit an dem Überschlagsimulator habe es dem Beklagten zu 1) ermöglicht, seinen Plan, ein Kind zu missbrauchen, in die ...

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