Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftsherr eines Verrichtungsgehilfen, der einen anlässlich eines Volksfestes eingerichteten Werbestand eines Automobilclubs mit einem Überschlagsimulator betreut, haftet dem Opfer einer Straftat, die der Verrichtungsgehilfe an einem von dem Stand angelockten Kind im Anschluss an das Volksfest begeht, weder aus § 823 noch aus § 831 BGB auf Schadensersatz, wenn es - wie hier - an einem inneren Zusammenhang zwischen der übertragenen Verrichtung und der Straftat fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 16.07.2008; Aktenzeichen 2 O 567/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.7.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

 

Gründe

A. Der 1994 geborene Kläger begehrt - nachdem das LG den Erstbeklagten C antragsgemäß verurteilt hat - zweitinstanzlich noch von dem Zweitbeklagten mit mindestens 50.000 EUR vorgestelltes Schmerzensgeld und Feststellung künftiger Ersatzpflicht für eine am 22.7. 2006 im Anschluss an ein Volksfest in M an ihm verübte Geiselnahme mit besonders schwerer Vergewaltigung und besonders schwerem sexuellen Missbrauch. Der vormalige Beklagte zu 1) hatte den Kontakt zu dem ihm bis dahin unbekannten Kläger während dieses Volksfestes angebahnt, als er dort einen - als Attraktion mit einem Überschlagsimulator ausgestatteten - Werbestand des Beklagten zu 2) betreute. Aus diesem Grund nimmt der Kläger auch den Zweitbeklagten als Gesamtschuldner in Anspruch. Er wirft ihm vor, den Erstbeklagten für seine Funktion, die ihm die Kontaktaufnahme und das Schaffen einer Vertrauensbasis erlaubt habe, nicht sorgfältig ausgewählt und überwacht zu haben. Der Beklagte zu 2) hafte als Geschäftsherr des Täters aus § 831 BGB, aber auch aus eigener Sicherungspflichtverletzung, weil er das Einstellungsverfahren der Vertriebsagentur L, deren Arbeitnehmer der Beklagte zu 1) war und die ihm diesen als Personal "geliehen" hatte, nicht ausreichend geprüft und gesteuert habe.

Das LG hat den Erstbeklagten antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen den Zweitbeklagten abgewiesen. Insoweit hat es eine Begehung der Straftat in Ausübung einer dem Täter i.S.v. § 831 BGB übertragenen Verrichtung ebenso verneint wie ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Zweitbeklagten hinsichtlich der für die Personalbeschaffung eingesetzten Vertriebsagentur.

Wegen des Weiteren Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge ggü. dem Zweitbeklagten weiter, lediglich den Feststellungsantrag zu 4. hat er in der Berufungsverhandlung zurück genommen.

Er hält daran fest, der Beklagte zu 2) habe mit der Beschäftigung des früheren Erstbeklagten C als Aufsicht an dem Überschlagsimulator seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er einem unzureichend ausgewählten und von ihm nicht überwachten einschlägig Vorbestraften die Möglichkeit verschafft habe, unter Ausnutzung der Attraktivität des Überschlagsimulators Kontakt zu Kindern aufzunehmen, eine vertrauensvolle Beziehung zu diesen unter Ausnutzung des dem B allgemein in der Öffentlichkeit entgegen gebrachten Ansehens aufzubauen und schließlich ein Kind - den Kläger - durch Versprechungen in seine Gewalt zu bringen, nämlich zunächst in sein Auto zu locken. Auch habe C bei dem an ihm, Kläger, begangenen Verbrechen in Ausübung einer vom Beklagten zu 2) übertragenen Verrichtung i.S.v. § 831 BGB gehandelt. Mit seiner entgegenstehenden Auffassung würdige das landgerichtliche Urteil folgende erhebliche Einzelheiten des Sachverhalts nicht zutreffend:

  • Der Stand mit dem Überschlagsimulator habe insbesondere Kinder angezogen; Zeuge S.
  • Der Kläger habe ein positives Bild vom B, dem C aufgrund seiner Arbeitskleidung zuzuordnen war, gehabt, weil seine Eltern als langjährige Mitglieder dessen Pannendienst nicht lange zuvor in Anspruch genommen gehabt hätten.
  • C sei besonders freundlich zu den Kindern der Gruppe des Klägers, die mehrere Stunden an dem Stand verbracht hätten, gewesen und habe deren Vertrauen gewinnen können.
  • Der stundenlange, vom Zweitbeklagten ermöglichte Kontakt mit den Kindern habe den Tatplan bei C. reifen lassen.
  • Speziell die werbende Tätigkeit für einen Automobilclub habe dem C einen glaubwürdigen Vorwand geliefert, den Kläger in sein Auto zu locken, nämlich das Versprechen einer Fahrt mit einem M.

Diese Umstände habe das LG auch bei seiner Einschätzung, der Beklagte zu 2) sei zu größerer Sorgfalt bei der Auswahl seines Personals und dessen Überwachung nicht verpflichtet gewesen, verkannt. Richtigerweise ergebe sich dies aber als Verkehrssicherungspflicht aus dem Betreiben des...

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