Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung mit der Nr. 17.092.325785 als Erbin ihres am 22.02.2003 gegen 15:40 Uhr in Damme verstorbenen Ehemannes auf die Todesfallleistung aufgrund Unfalls in Anspruch. Der verstorbene Ehemann ist unstreitig von einem Balkon des St. Elisabeth-Stiftes gestürzt. Zum Zeitpunkt des ansonsten streitigen Geschehens befand sich das Rundrohr der Balkonbrüstung ca. 1 m oberhalb des Balkonfußbodens; der Ehemann der Klägerin war 1,71 m lang bei einem Körpergewicht von 74 kg.

Die Klägerin behauptet, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um ein Unfallgeschehen im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt habe; es sei von einem unfreiwilligen Geschehen auszugehen. Dafür spreche insbesondere auch die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die den Kläger als zunächst etwa verängstigt und unruhig, allerdings nicht als depressiv herabgestimmt und nicht suizidal beschrieben hätten. Mithin sei von einem Sturz unter unklaren Umständen auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.161,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich unter Hinweis auf § 180 a VVG und dem Ausschlusstatbestand nach § 2 Nr. 1 Abs. 1 der AUB 88 darauf, dass es sich um eine Selbsttötung gehandelt habe; einiges spreche dafür, dass zum Zeitpunkt des Geschehens eine Bewusstseinsstörung des Klägers im Sinne von § 2 Ziffer I. (1) AUB 88 vorgelegen habe. Dafür würden insbesondere sowohl auch der Zustand der Örtlichkeit als auch die Angaben der Klägerin zur psychischen Verfassung des verstorbenen Ehemannes im Zeitpunkt des Geschehens sprechen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beklagten auf Seite 4-7 der Klageerwiderung (Blatt 37-40 GA) Bezug genommen. Zumindest sei der Kläger am 20.02.2003 ausweislich des Inhalts der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten derart verwirrt gewesen, dass es auf Grund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zum Unfall gekommen sei, also einem Geschehen, das nach § 2 I. (1) AUB 88 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beklagten mit der Klageerwiderung, dort Blatt 7-10 (Blatt 40-43 GA) Bezug genommen.

Die Akten 135 UJs 9807/03 der Staatsanwaltschaft Oldenburg sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann die Todesfallleistung aus der Unfallversicherung in Höhe von 7.161,00 EUR nicht beanspruchen. Die Beklagte ist auf jeden Fall leistungsfrei.

Sollte sich der Ehemann der Klägerin nicht in einem Zustand tiefgreifender Bewusstseinsstörung befunden haben, ist nach den unstreitigen Umständen von einem Suizid auszugehen; eine freiwillige Gesundheitsschädigung i.S.v. § 1 III. AUB 88, § 180 a VVG würde nicht vorliegen. Sollte, was näher liegt, davon auszugehen sein, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls in einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden hat, war nach § 2 I. (1) AUB 88 Versicherungsschutz nicht gegeben.

Der Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ist derart eindeutig, dass es der Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nicht bedarf. Auch die Klägerin hat keine Anknüpfungspunkte dafür aufgezeigt, die dafür sprechen könnten, dass ihr Ehemann auf Grund eines versicherten Unfallgeschehens zu Tode gekommen sein könnte. Ausschlaggebend ist zunächst, dass die Unfallörtlichkeit selbst gegen ein Unfallgeschehen spricht. Dabei kann dahin stehen, ob - wie die Klägerin behauptet - die Balkonbrüstung nach dem Unfall verändert worden ist. Die Polizei hat ausweislich des von der Klägerin nicht angegriffenen Ermittlungsberichts festgestellt, dass sich die Brüstung in einer Höhe von einem Meter befand. Bei einer Körpergröße von 1,71 m ist nicht vorstellbar, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt des Geschehens in eine Situation geraten war, auf Grund derer er das Geländer des Balkons im dritten Stock versehentlich auf eine Art und Weise überwunden hatte, dass es zum Absturz hatte kommen können. Dies widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Im Kontext von §§ 1 III., 2 I. (1) AUB 88 hätte ein anderes nur dann gelten können, wenn der Ehemann der Klägerin vor dem Geschehen tatsächlich unauffällig gewesen wäre. Genau das Gegenteil war allerdings, entgegen den Angaben des Neurologen Dr. med. gegenüber den Ermittlungsbeamten der Polizei der Fall. Ausweislich der Angaben der Klägerin, die auf Seite 6 des Ermittlungsberichts der Polizeibeamten vom 22.02.2003 wiedergegeben sind, war der verstorbene Ehemann der Klä...

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