Nachgehend

OLG Stuttgart (Urteil vom 23.09.1997; Aktenzeichen 14 U 71/96)

 

Tenor

1. Die Beklagten Nr. 1 und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt,

a) an die Klägerin für den Zeitraum vom 3.04.1986 bis 30.06.1994 20.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 9.7.1994 zu bezahlen,

b) an die Klägerin ab dem 1.07.1994 auf Lebenszeit eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300 DM jeweils im Voraus zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin

a) sämtliche künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Behandlung anlässlich ihrer Geburt im Kreiskrankenhaus L. entstehen werden, soweit nicht Ersatzansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen und

b) sämtliche immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nach dem 1.07.1994 entstehen, derzeit nicht vorhersehbar sind und nicht durch die monatliche Schmerzensgeldrente ausgeglichen sind.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4. Von den Gerichtskosten tragen die Beklagten 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/3, die Klägerin 1/3. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Bekl. 3, sowie 1/3 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Beklagten 1) und 2) tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selber, sowie 2/3 der Kosten der Klägerin.

5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 36.000 DM vorläufig vollstreckbar, für die Bekl. 3) ohne Sicherheitsleistung. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung seitens der Bekl. 3) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.950 DM abzuwenden, sofern die Bekl. 3) nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert:

Klagantrag Nr. 1

a: 20.000

b: 18.000

Nr. 2

a: 25.000

b: 5.000

68.000 DM

 

Tatbestand

1. Die Mutter der Klägerin wurde am 3.4.1986 gegen 01.15 Uhr im Rahmen eines allgemeinen Krankenhausaufnahmevertrags zur Entbindung der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten zu 1) in L. aufgenommen, nachdem sie bereits zuvor in der Zeit vom 12.3.1986 bis 23.3.1986 vorübergehend wegen des Verdachts einer Retardierung im selben Kreiskrankenhaus aufgenommen worden war. Der Bekl. 2) war der damalige Leiter der geburtshilflich - gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses und hatte die Mutter der Klägerin während der Schwangerschaft ärztlich betreut. Die Bekl. 3) war die zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin diensthabende Hebamme, die bei der Mutter der Klägerin die Aufnahmeuntersuchung durchführte. Um 05.00 Uhr erfolgte der Blasensprung mit Austritt klaren Fruchtwassers. Um 06.18 Uhr wurde die Geburt mittels Vakuumextraktion in Intubationsnarkose durchgeführt. Die Klägerin erlitt bei der vaginalen Geburt eine obere (sogenannte Erbsche Lähmung) und vorwiegend untere Plexusparese rechts, ferner eine Homer Symptomatik rechts. Die Klägerin wurde in der Folgezeit fachärztlich u.a. in der Kinderneurologie der Universität U. betreut, sie wurde insbesondere krankengymnastisch behandelt. Es traten leichte Besserungen ein, jedoch verblieben Ausfälle überwiegend im Bereich des unteren Plexus. Die Klägerin vermag autonom den Ellenbogen nicht zu strecken, da bei Streckversuchen der Bicepsmuskel gleichzeitig innerviert wird und eine verstärkte Beugung des Arms erfolgt. Die Auswärtsdrehung ist erschwert. Trotz vorhandener Muskulatur ist der Einsatz des rechten Unterarms und der Hand stark vermindert und das Wachstum gegenüber der linken Seite deutlich zurückgeblieben. Die Handmuskeln sind von der Fehlinnervation am stärksten betroffen, weshalb unter anderem die Greiffunktion eingeschränkt ist.

2. Die Klägerin trägt vor,

Die Vakuumextraktion sei bei dem erreichten Geburtsfortschritt (I. Hinterhauptlage, Kopf im Beckeneingang) kontraindiziert gewesen. Die Mutter der Klägerin sei über die alternativen Möglichkeiten einer vaginal-operativen Vakuum - oder einer abdominalen Schnittentbindung nicht aufgeklärt worden.

Wäre eine Aufklärung erfolgt, hätte sich die Mutter für die Entbindung durch Kaiserschnitt entschieden, um das Risiko für das Kind gering zu halten. Die Klägerin meint, dass die Dokumentation des Geburtsvorgangs nicht ausreichend sei. Bei einer Schnittentbindung wäre es nicht zu einer Schulterdystokie gekommen und damit auch nicht zur Nervschädigung.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

a) für den Zeitraum vom 3.04.1986 bis 30.6.1994 ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit 30.6.1994

b) ab 1.07.1994 auf Lebenszeit eine monatliche Schmerzensgeldrente von DM 300 im Voraus zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin

a) sämtliche künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Behandlung anlässlich ihrer Geburt im Kreiskrankenhaus L. entstehen, soweit nicht Ersatzansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen und

b) sämtliche immaterielle Schäden zu ersetzen, soweit sie nach dem 01.07.19...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge