Entscheidungsstichwort (Thema)

Funktion von § 78 Abs. 1 InsO. Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch § 78 Abs. 1 InsO wird es dem Insolvenzgericht ermöglicht, das gemeinsame Interesse der Gläubiger gegenüber der jeweiligen Mehrheit in der Gläubigerversammlung zu wahren. Damit wird jedoch dem Insolvenzgericht nicht die Aufgabe übertragen, im Interesse des Insolvenzverwalters dessen eventuelle Inanspruchnahme auf Schadensersatz durch die Gläubiger zu verhindern.

2. Die gemäß § 160 InsO von dem Insolvenzverwalter für die Veräußerung des Unternehmens der Schuldners einzuholende Zustimmung der Gläubigerversammlung ist im Außenverhältnis für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Übernehmer nicht erforderlich. Dies gilt sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft.

 

Normenkette

BGB § 184; InsO §§ 60, 78 Abs. 1, § 92 S. 2, § 160 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 03.11.2009; Aktenzeichen 111 IN 37/08)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken/Sulzbach vom 03.11.2009 – Az.: 111 IN 37/08 – wird aufgehoben.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 60.000,– Euro.

 

Tatbestand

A.

Das Amtsgericht Saarbrücken – Insolvenzgericht – hat durch Beschluss vom 1. Oktober 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der DOL… eröffnet und Herrn Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Insolvenzverwalter hat durch Vertrag vom 20. August 2009 mit Wirkung zum 1. Juli 2009 an die …, das gesamte bewegliche Anlagevermögen sowie die immateriellen Vermögenswerte des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin verkauft und übereignet.

Das Insolvenzgericht hat auf Antrag des Insolvenzverwalters durch Beschluss vom 08.09.2009 Termin für eine Gläubigerversammlung bestimmt auf den 16.09.2009 zur Zustimmung zur Vereinbarung mit der ….

In der Gläubigerversammlung vom 16.09.2009 haben die Gläubiger die Zustimmung mehrheitlich abgelehnt.

Daraufhin hat der Insolvenzverwalter die Aufhebung dieses Beschlusses der Gläubigerversammlung beantragt.

Der Beschwerdeführer, der Insolvenzgläubiger ist, hat beantragt,

den Aufhebungsantrag des Insolvenzverwalters zurückzuweisen und den Insolvenzverwalter aus seinem Amt zu entlassen.

Das Insolvenzgericht hat durch Beschluss vom 03.11.2009 den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 16.09.2009 über die Ablehnung der Vereinbarung mit der … aufgehoben.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, der beschwerdeführende Gläubiger habe trotz seiner Kenntnis, dass in dem Gläubigerversammlungstermin am 16.09.2009 eine Abstimmung erfolgen sollte, kein verbindliches Angebot für den Kauf des Anlagevermögens und der immateriellen Vermögenswerte der Insolvenzschuldnerin abgegeben.

Die Verwertungsentscheidung des Insolvenzverwalters sei ordnungsgemäß und unter den gegebenen Umständen die für alle Gläubiger Bestmöglichste.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 09.11.2009 beim Amtsgericht sofortige Beschwerde eingelegt.

Er behauptet, der Insolvenzverwalter habe gegen die gesetzlichen Vorschriften der Insolvenzordnung verstoßen und den Gläubigern einen Schaden von mindestens 300.000,– Euro zugefügt.

Sein Aufhebungsantrag diene nicht der Wahrung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger, sondern ausschließlich der Wahrung seiner eigenen Interessen. Er wolle sich durch die Aufhebung der Entscheidung der Gläubigerversammlung von Schadensersatzforderungen formal reinwaschen. Der Aufhebungsantrag sei deshalb rechtsmissbräuchlich.

Er habe dem Insolvenzverwalter für den Erwerb des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin 300.000,– Euro geboten.

Für das Inventar der Schuldnerin habe er 50.000,– Euro und für deren Rechte an Internetdomänen 35.000,– Euro sowie für die Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin weitere 100.000,– Euro geboten.

Daraus errechne sich ein Gesamtschaden von 307.000,– Euro.

Der Insolvenzverwalter beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bestreitet, von dem Beschwerdeführer Kaufvertragsangebote erhalten zu haben.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 78 Abs. 2 S. 2, 6 InsO zulässig.

II.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 03.11.2009.

1. Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 InsO für die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 16.09.2009 sind nicht erfüllt.

Gemäß § 78 Abs. 1 InsO hätte das Insolvenzgericht auf den entsprechenden Antrag des Insolvenzverwalters den Beschluss der Gläubigerversammlung nur dann aufheben dürfen, wenn die Verweigerung der Zustimmung zu dem „Asset Deal” des Insolvenzverwalters mit der … dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widersprochen hätte.

Das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger besteht in der bestmöglichen Befriedigung ihrer ungesicherten Insolvenzforderungen (vgl. K...

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