Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschwer bei Mieterhöhungsklagen
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Bei Mieterhöhungsklagen richtet sich der Wert der Beschwer nach dem Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses (entgegen BVerfG, 1996-01-30, 1 BvR 2388/95, WuM 1996, 321).
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Beklagte hat in dem Anwesen der Kläger eine Wohnung auf unbestimmte Zeit gemietet, für die sie einen monatlichen Mietzins von 300,- DM zu zahlen hat. Die Kläger verlangen die Zustimmung zu einer Erhöhung des Mietzinses ab 1. 10. 1995 auf 390,- DM. Das AG Neunkirchen hat die Klage mit dem am 14. 4. 1997 verkündeten Urteil abgewiesen. Dagegen wenden die Kläger sich mit Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unzulässig und war deshalb gemäß § 519b Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Unzulässig ist die Berufung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht, wie dies nach § 511a ZPO erforderlich ist, 1500,- DM übersteigt. Bei Mieterhöhungsklagen richtet sich der Wert der Beschwer nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Berufungsgerichts gemäß den §§ 2, 3 ZPO unter Berücksichtigung von § 16 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses. Nach Auffassung der Kammer wurde dieser Beurteilung infolge der Änderung von § 9 ZPO durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11. 11. 1993 (BGBl. I Seite 50) nicht die Grundlage entzogen. § 9 ZPO findet nach Auffassung der Kammer auch nach seiner Änderung keine Anwendung auf die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes von Mieterhöhungsverlangen (so entgegen BVerfG in NJW 1996, 1531 (=WM 1996, 321) auch LG Köln >12. Kammer< WM 1997, 279; LG Köln>1. Kammer< WM 1996, 716; LG Darmstadt NJW-RR 1997, 775; LG Bremen WM 1997, 334).
Nach § 2 ZPO gelten die §§ 3ff. ZPO, wenn es wie nach § 511a ZPO auf den Wert der Beschwer ankommt. Dabei ist der Wert bei einem Mieterhöhungsverlangen nach § 3 ZPO festzusetzen und nicht nach § 9 ZPO zu berechnen, der eine Regelung für den Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen enthält. Gegenstand der Klage auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen ist nicht ein derartiges Recht, sondern ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung, dessen Wert nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen auf der Grundlage des Interesses des Klägers an der Abgabe der Willenserklärung zu bestimmen ist. In § 9 ZPO kann demgemäß im Sinne von § 2 ZPO keine für die Klage auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen unmittelbar geltende Sonderregelung gesehen werden, und § 9 ZPO kann nach Auffassung der Kammer auch nicht analog angewendet werden, weil im Hinblick auf § 3 ZPO keine Regelungslücke besteht.
Es kann sich demnach nur die Frage stellen, ob das Berufungsgericht sich bei Ausübung seines Ermessens an § 9 ZPO oder an § 16 Abs. 5 GKG orientieren kann oder muß und ob sich die Regelung in § 2 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 3 Satz 1 MHG auswirkt. Das erkennende Gericht ist der Auffassung, daß die Ausübung des Ermessens in Anlehnung an § 16 Abs. 4 GKG zu erfolgen hat.
Bei § 16 Abs. 5 GKG handelt es sich zwar um eine kostenrechtliche Vorschrift, die unmittelbar nur den Gebührenstreitwert betrifft. Sie enthält jedoch eine gesetzliche Bewertung des Interesses von Ansprüchen auf Erhöhung des Mietzinses für Wohnraum. Diese gesetzliche Bewertung - auch wenn ihre Zielsetzung darin zu sehen ist, aus sozialpolitischen Gründen bei Miet- und Pachtstreitigkeiten eine hohe Kostenbelastung zu vermeiden, um die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung nicht aus Kostengründen zu erschweren - ist dem Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen näher als die Regelung des § 9 ZPO. Während es sich bei § 16 Abs. 5 GKG - wenn auch für den Gebührenstreitwert - um eine besondere Regelung für den Anspruch auf Erhöhung des Mietzinses handelt, stellt § 9 ZPO eine Regelung allgemein für wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen dar. Weiter führt auch nicht eine parallele Beurteilung zu dem Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage auf künftigen Miet- oder Pachtzins, weil es auch insoweit an einer eindeutigen allgemein anerkannten Beurteilung fehlt. Nach einer Entscheidung des BGH v. 13. 12. 1965 (NJW 1966, 778), auf die in dem Beschluß des BVerfG v. 30. 1. 1996 verwiesen wird, ist der Streitwert für eine Klage auf künftige Miet- oder Pachtzinszahlungen nach § 9 ZPO zu bestimmen, wenn der Anspruch aus einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nicht dem Mieterschutz unterliegenden Vertrag hergeleitet wird; die Entscheidung beschränkt sich auf ein für eine bestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis (vgl. auch OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 1303). Nach einer früheren Entscheidung des BGH soll bei unbestimmter Mietdauer § 3 ZPO gelten (NJW 1958, 1967; siehe hierzu auch Baumbach-Lauterbach, 56. Aufl., Anhang zu § 3 ZPO Rn. 80; Zöller-Herget, 20. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16; Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäft...