Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen die allgemeine Verkehrssicherungspflicht eines Tankstellenbetreibers
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Tankstellenbetreiber beim Schließen einer Schranke hinter dem zu betankenden Fahrzeug.
2. Durch die Inanspruchnahme der sog. „Abwrackprämie” wird der Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung eines Kfz nicht gemindert.
Normenkette
BGB § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Völklingen (Urteil vom 01.12.2010; Aktenzeichen 5 C C 289/09 (14)) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Völklingen vom 01.12.2010 – 5 C C 289/09 (14) – unter Abweisung der Klage im Übrigen und unter Zurückweisung der weiteren Berufung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
- an die Klägerin 660,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2009 zu zahlen;
- an das Sachverständigenbüro … zu deren Gutachten Nr. … einen Betrag von 143,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2009 zu zahlen;
- an die … außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR zur Schadennummer … auf deren Konto Nr. …, BLZ … bei der … zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3. Die Kosten der Streithelferin tragen diese zu 1/3 und die Klägerin zu 2/3.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Unfall, der sich am Abend des 17.10.2008 an der Tankstelle der Beklagten in … ereignet hat.
Die Beklagte hat den Betrieb der Tankstelle im Bereich der Kassiertätigkeit auf die Streithelferin übertragen. An der Tankstelle sind von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Tanksäulen Nr. 1 bis 10 geöffnet. Nach 20.00 Uhr können nur die Tanksäulen Nr. 8 bis 10 bei einer Zahlung mit EC-Karte benutzt werden. Zur Zeit des Unfalls wurde der Bereich der Tanksäulen Nr. 1 bis 7 ab 20.00 Uhr mit einer Schranke abgetrennt, um die Einfahrt von Fahrzeugen in diesen Bereich zu verhindern.
Der Zeuge … fuhr mit dem klägerischen Fahrzeug an die Tanksäule Nr. 7, wo er das Fahrzeug zunächst anhielt. Die Tanksäule war zu diesem Zeitpunkt bereits außer Betrieb. Die Zeugin …, die bei der Streithelferin angestellt ist, schloss dann hinter dem klägerischen Fahrzeug die Schranke, die die Tanksäulen Nr. 1 bis 7 abtrennen sollte. Beim Zurücksetzen des klägerischen Fahrzeugs kollidierte der Zeuge … mit der geschlossenen Schranke. Durch die Kollision entstand am Fahrzeug ein Sachschaden. Die Klägerin holte zur Ermittlung der Schadenshöhe ein Gutachten bei der … ein. Dieses Gutachten weist Netto-Reparaturkosten von 1.956,64 EUR aus. Für die Erstattung des Gutachtens wurden der Klägerin seitens der … 430,24 EUR in Rechnung gestellt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich Ausgleich dieser Schadenspositionen, Ersatz einer Unkostenpauschale von 25,56 EUR sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 311,29 EUR verlangt. Sie hat behauptet, die Zeugin … sei zum Fahrzeug gekommen, als der Zeuge … an der Tanksäule Nr. 7 gehalten habe. Die Zeugin habe geäußert, dass die Tanksäulen bereits verschlossen seien und er an der EC-Tanksäule tanken müsse. Er solle zurückstoßen, um die Tanksäule Nr. 7 zu verlassen. Die Zeugin habe dann Handbewegungen gemacht, die er als Aufforderung zum Rückwärtsfahren gedeutet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei das Licht an den Tanksäulen Nr. 1 bis 7 bereits ausgeschaltet und die Sicht nach hinten sehr eingeschränkt gewesen. Wegen der fehlerhaften Einweisung durch die Zeugin … und aufgrund der schlechten Sicht sei der Zeuge … mit dem klägerischen Fahrzeug rückwärts gegen die Schranke gefahren. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihr in vollem Umfang zum Ersatz ihres Schadens verpflichtet sei, weil die Zeugin … ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe und dies auch der Beklagten zuzurechnen sei.
Die Beklagte und die Streithelferin haben vorgetragen, dass die Zeugin … die Zapfsäule Nr. 7 als letzte der Zapfsäulen verschlossen und bereits die Schranke in der Hand gehabt habe, um diese in einem Winkel von 90 Grad vorschriftsmäßig aufzustellen, als sich der Zeuge … noch in die Einfahrt zur Zapfsäule 7 hineingezwängt habe, um dort zu tanken. Bereits in der Annäherung habe sie bedeutet, dass der Weg zur Zapfsäule 7 schon gesperrt sei und der Zeuge in Richtung nach vorne zu den Kassenhäuschen und im Kreis zurück zur Zapfsäule 8 fahren müsse, um an einer geöffneten Zapfsäule zu tanken. Danach sei die Zeugin …, nachdem sie, ohne mit dem Zeugen … zu reden, die Schranke geschlossen habe, zurück ins Kassenhäuschen gegangen, um das Licht über den Säulen 1 bis 7 zu löschen und ihre Abrechnung fertig zu machen sowie das Geld im Tresor zu verschließen. Die Deckenbeleuchtung über der Zapfsäule 8 reiche völlig aus, um auch den Bereich der Zapfsäule 7 auszuleuchten. Es sei daher genug Beleuchtung vorhanden gewesen, damit der Zeuge...