Verfahrensgang
AG Bad Homburg (Urteil vom 02.01.2017; Aktenzeichen 7 C 575/15 (17)) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Homburg vom 02.01.2017 – 7 C 575/15 (17) – teilweise abgeändert und die Beklagten werden unter Abweisung der Klage im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 863,52 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 135,16 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 30 %. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 52 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 48 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 18.06.2015 auf dem Betriebsgelände der Fa. S. in H. ereignet hat.
Der Kläger befuhr mit seinem Motorroller das Betriebsgelände und wollte nach rechts in Richtung eines Lkw-Wendeplatzes abbiegen. Von dort näherte sich der Beklagte zu 3), der mit seinem Fahrzeug seinerseits nach links abbiegen wollte. Bei der Kollision der Fahrzeuge wurde der Kläger verletzt und sein Motorroller beschädigt.
Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich einen der Höhe nach unstreitigen Sachschaden von 1.211,72 EUR sowie ein angemessenes Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 1.500,– EUR geltend gemacht. Er hat behauptet, der Beklagte zu 3) habe so die Kurve geschnitten, dass er den Unfall trotz sofort eingeleiteter Vollbremsung nicht mehr habe verhindern können. Aufgrund der unfallbedingten schweren Prellungen, insbesondere am Handgelenk und am Unterschenkel, einer LWS-Distorsion sowie Schürfwunden im Bereich der Hände sei er 4 Wochen lang arbeitsunfähig gewesen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben behauptet, der Kläger sei deutlich zu schnell gefahren und habe die Vorfahrt des Beklagten missachtet, während der Beklagte im Kreuzungsbereich angehalten habe.
Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat der Erstrichter ausgeführt, der Kläger sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe den Grundsatz „rechts vor links” missachtet. Ein Verschulden des Beklagten zu 3) sei demgegenüber nicht nachgewiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche – begrenzt auf eine Haftungsquote von 2/3 – weiter. Er meint insbesondere, die StVO gelte auf dem Betriebsgelände nicht, so dass die Regel „rechts vor links” keine Anwendung finde.
Die Beklagten verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Das Urteil des Amtsgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Zu Recht ist das Erstgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Beklagten als auch der Kläger grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Dies wird durch die Berufung auch nicht angegriffen.
2. Im Rahmen der danach gebotenen Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG ist der Erstrichter davon ausgegangen, dass der Kläger einen Vorfahrtsverstoß nach § 8 StVO analog begangen habe. Dies greift die Berufung mit Erfolg an.
a) Allerdings ist der Erstrichter zu Recht davon ausgegangen, dass auf dem streitgegenständlichen Werksgelände die Straßenverkehrsordnung (StVO) Anwendung findet. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die StVO hier unmittelbar anwendbar ist weil die Unfallstelle für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird, oder die StVO keine Anwendung findet, weil der Verkehr auf dem Betriebsgelände durch eine schrankengeregelte Einfahrt kontrolliert und auf einen ganz bestimmten, fest umrissenen Personenkreis beschränkt wird (vgl. BGHSt 49, 128; KG, VersR 2005, 135; OLG Köln, OLG-Report 2002, 216; Müther in: Freymann/Wellner a.a.O. Rn. 18 f.). Auch bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die StVO im Streitfall durch entsprechende Verkehrszeichen zumindest konkludent in Bezug genommen wurde (vgl. hierzu Wern in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 39 StVO Rn. 24 m.w.N.). Denn es ist anerkannt, dass jedenfalls die allgemeine Pflicht zu verkehrsüblicher Sorgfalt, wie sie sich in § 1 StVO ausprägt, grundsätzlich auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes gilt (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 197...