Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraumkündigung aus Gründen der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Zur Kündigung des Mietvertrages über ein Hausgrundstück aus Gründen der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Als angemessene Verwertung, die eine Kündigung rechtfertigen kann, ist grundsätzlich auch der Verkauf des vermieteten Objekts anzusehen. Der Anwendungsbereich von BGB § 564b Abs 2 Nr 3 ist nicht auf die Fälle drohenden Existenzverlustes beschränkt, sondern erfaßt auch andere Vermögenseinbußen (vergleiche BVerfG, 1989-02-14, 1 BvR 1131/87, WuM 1989, 118). Der Kündigungsgrund ist gegeben, wenn der Vermieter aufgrund seiner finanziellen Situation praktisch gezwungen ist, das Anwesen zu verkaufen, um seine Schulden abzudecken und so eine drohende Zwangsversteigerung des Objektes zu verhindern.
3. Der Vermieter erleidet bei einem Verkauf des Hausgrundstücks in vermietetem Zustand dann erhebliche Nachteile, wenn sich das vermietete Objekt nur mit einem Abschlag von 10 bis 15% vom Verkehrswert verkaufen läßt.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Klägerin ist, neben anderen Objekten, Eigentümerin des Hauses in N., das die Beklagten aufgrund Vertrages v. 5.7.1983 angemietet haben.
Mit Schreiben v. 30.7.1987 kündigte die Klägerin den Beklagten das bestehende Mietverhältnis und nannte als Kündigungsgrund eine geplante wirtschaftliche Verwertung des Mietobjekts.
Die Klägerin behauptet: Sie habe zur Finanzierung verschiedener Investitionen bei der R.-Bank ein Darlehen über 1.050.000,- DM aufgenommen und wolle zur Refinanzierung dieses Darlehens unter anderem ihr Anwesen in N. verkaufen; dies habe sie bei Kreditgewährung mit der R.-Bank bereits abgesprochen und das Darlehen sei unter dieser Bedingung zustande gekommen. Da sie aufgrund des bestehenden Mietvertrages das Objekt nur weit unter dem Verkehrswert von 450.000.- DM verkaufen könne, sei eine angemessene wirtschaftliche Verwertung nicht möglich und es entstünden ihr erhebliche Nachteile; insbesondere drohe die R.-Bank mit der Kündigung des gewährten Darlehens. Der Verkauf sei deswegen für die Klägerin eine existentielle wirtschaftliche Notwendigkeit.
Die Beklagten bestreiten, daß bei Verkauf des vermieteten Objekts ein Mindererlös von 50.000,- DM bis 100.000,- DM eintreten werde; auch bestreiten die Beklagten, daß die Klägerin bei Nichtverkauf des Anwesens erhebliche Nachteile erleiden würde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
I. Der Klägerin steht der geltend gemachte Räumungsanspruch zu, da sie ein berechtigtes Interesse gem. § 564b Abs. 1 Abs. 2 Ziff. 3 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses hat und deswegen die Kündigung v. 30.7.1987 auch unter Berücksichtigung der Sozialklausel durchgreifend ist.
1. Die Klägerin ist bei Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen Verwertung des Grundstückes gehindert und würde hierbei erhebliche Nachteile erleiden. Als angemessene Verwertung, die eine Kündigung rechtfertigen kann, ist grundsätzlich auch der Verkauf des vermieteten Objekts anzusehen. Hierbei ist der Anwendungsbereich von § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht auf Fälle beschränkt, bei denen andernfalls ein drohender Existenzverlust droht, vielmehr ist auch bei anderen Vermögenseinbußen § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 14.2.1989, NJW 1989, 972, 973 (= WM 1989, 118)). Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, daß ein Verkauf des streitgegenständlichen Anwesens in vermietetem Zustand nur mit einer ganz erheblichen Verkaufseinbuße zu realisieren ist. Aufgrund ihrer finanziellen Situation ist die Klägerin aber aus wirtschaftlichen Gründen praktisch gezwungen, das Anwesen zu veräußern, um Schulden abzudecken.
Wie der Sachverständige S. bei seiner Anhörung ausgeführt hat, sind ca. 80% aller potentiellen Käufer an einer Eigennutzung interessiert. Für diese scheidet der Kauf des streitgegenständlichen Anwesens aus, da der Zeitpunkt eines evtl. Auszugs der Beklagten ungewiß ist.
Für die restlichen potentiellen Kaufinteressenten ist der Kauf nur unter Renditegesichtspunkten interessant. Unter Renditegesichtspunkten ist aber nach Ansicht des Gerichts ein Verkauf zu dem Verkehrswert nicht möglich.
Wenn man den vom Sachverständigen S. angesetzten Verkehrswert von 435.000,- DM zugrundelegt und davon ausgeht, daß ein Käufer ansonsten für das eingesetzte Kapital eine Rendite von mindestens 6% erzielt, ergibt sich bei anderweitiger Geldanlage ein Ertrag von 26.100,- DM. Dem stehen Mieteinnahmen aus dem Objekt in Höhe von 14.400,- DM (1.200,- DM x 12) gegenüber, wobei sich unter Berücksichtigung einer Rücklagenbildung für Reparaturen in Höhe von 2.000,- DM ein jährlicher Verlust von knapp 14.000,- DM ergibt. Dieser Verlust kann auch durch die steuerliche Abschreibung des Anwesens nicht ausgeglichen werden, so daß im Normalfall der vom S...