Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorausabtretung einer Lohnforderung aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Arbeitsverhältnis. Anspruch auf pfändbaren Arbeitslohn des Gemeinschuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Ablauf der Zweijahresfrist aufgrund einer Abtretungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der von einem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Ablauf der Zweijahresfrist des § 114 I InsO vereinnahmte pfändbare Arbeitslohn des Gemeinschuldners steht einem Gläubiger als Forderungsinhaber zu, wenn ihm die Forderung wirksam abgetreten worden ist und eine Vorausabtretung auch diejenigen Lohnforderungen erfasst, die aufgrund eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Arbeitsverhäitnisses entstanden sind.
2. Eine Vorausabtretung des pfändbaren Teils künftiger Lohn–, Gehalts–, Provisions- und Sozialleistungsansprüche ist auch in Form von AGB grundsätzlich zulässig. Derartige Klauseln halten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB aber nur dann stand, wenn sie Zweck und Umfang der Zession sowie die Voraussetzungen, unter denen der Verwender von ihr Gebrauch machen darf, hinreichend eindeutig bestimmen und zu einem vernünftigen, die schutzwürdigen Belange beider Vertragspartner angemessen berücksichtigenden Interessenausgleich führen. Dabei ist das Sicherungsinteresse eines Darlehnsgläubigers gegen das Interesse des Kunden als Darlehnsnehmers an der Erhaltung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit abzuwägen. Eine den guten Sitten widersprechende Übersicherung, die auch durch die Kumulation verschiedener Sicherungsmittel möglich ist, kann im Einzelfall zur Unwirksamkeit des Abtretungsvertrags nach § 138 BGB führen.
3. Eine Vorausabtretung von Ansprüchen des Gemeinschuldners auf Lohnzahlungen ist wirksam, auch wenn diese aufgrund eines erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Arbeitsverhältnisses entstanden sind. Von der Ausnahmeregelung in § 114 I InsO, die als lex specialis im Verhältnis zu § 91 InsO anzusehen ist, sind auch solche Vergütungsansprüche erfasst, die aufgrund eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Arbeitsverhältnisses entstehen. Bereits der Wortlaut des § 114 I InsO, der ohne weitere Differenzierung von Bezügen aus einem Dienstverhältnis spricht, bietet keine Anknüpfungspunkte für eine Unterscheidung danach, ob das fragliche Arbeitsverhältnis vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist. Dafür, dass § 114 I InsO auch solche Lohn- und Gehaltsforderungen erfasst, die auf einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Arbeitsverhältnis beruhen, sprechen aber vor allem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die zeitliche Begrenzung der Privilegierung in dieser Norm auf zwei Jahre berücksichtigt dabei den Schutz der übrigen Insolvenzgläubiger. Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, wenn die Privilegierung der Vorausabtretung von Lohn- und Gehaltsforderungen durch einfachen Arbeitsplatzwechsel des Gemeinschuldners entfiele.
4. Nach § 313 III S. 1 und 2 InsO ist allein ein gemäß § 51 Nr. 1 InsO absonderungsberechtigter Forderungsinhaber zur Einziehung abgetretener Ansprüche aus Arbeitseinkommen berechtigt.
Normenkette
BGB §§ 138, 307, 816 Abs. 2; InsO § 51 Nr. 1, §§ 91, 114 Abs. 1, § 313 Abs. 3
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.784,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.05.2010 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass das Auskunftsverlangen der Klägerin über die vom Beklagten von 01.09. bis zum 31.12.2009 vereinnahmten Beträge aus dem Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners erledigt ist.
3. Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus der Abtretungsvereinbarung vom 23.06.2003 von Ansprüchen des Insolvenzschuldners, Herr Axxx Jxxx Cxxx auf Arbeits–, Erwerbseinkommen und Sozialleistungen an der Insolvenzmasse ein Absonderungsrecht bis zum 31.01.2011 zusteht.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin stand mit dem Gemeinschuldner xxx in Geschäftsbeziehung. Am 23.06.2003 schlossen die Klägerin und ihr Kunde xxx einen Giro- und einen Kreditvertrag. Mit Abtretungsvereinbarung vom gleichen Tag und vor Auszahlung von Kreditgeldern vereinbarten die Klägerin und der Gemeinschuldner die Abtretung von Arbeits- und Erwerbseinkommen sowie von Sozialleistungen.
In den seitens der Klägerin vorformulierten Vertragsbedingungen der Abtretungsvereinbarung heißt es unter anderem:
Ziffer I "Abgetretene Ansprüche und Auskunftsrecht":
1.
Wir treten hiermit den pfändbaren Teil unserer Ansprüche auf Arbeitseinkommen jeglicher Art, Pensions- und sonstige Entgeltansprüche aus unseren gegenwärtigen und künftigen Arbeitsverhältnissen und unsere Ansprüche für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste gemäß § 850i ZPO gegen den jeweiligen Arbeitgeber oder Leistungsverpflichte...