Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel, der auf einer für gemeinschaftsrechtswidrig erklärten Norm des nationalen Rechts beruht
Orientierungssatz
1.
Die Verhängung von Zwangsgeldern im Ordnungsmittelverfahren, die auch strafrechtliche Elemente enthält, ist unionsrechtlich verboten, wenn der zugrunde liegende Titel seinerseits gegen Unionsrecht verstößt.
2.
Die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, das sich auf europarechtswidrige nationale Regelungen stützt, würde dazu führen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt würde. Dies gilt unabhängig davon, dass die Vorschriften der ZPO für sich genommen nicht gegen Unionsrecht verstoßen.
Normenkette
ZPO § 890
Tenor
In pp wird der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 08.03.2010 auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Durch Urteil des OLG Frankfurt vom 04.06.2009 wurde den Schuldnern untersagt, wie auf Seiten 3 bis 5 des Urteils wiedergegeben, über das Internet im Bundesland . befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten oder zu verschaffen, Sportwetten zu festen Gewinnquoten ohne behördliche Erlaubnis einzugehen oder abzuschließen. Zur Begründung stützte sich das Gericht auf den Glücksspielstaatsvertrag.
Die Gläubigerin ist der Auffassung, die Schuldner verstießen durch ihre Internetpräsenz nach wie vor gegen das ausgeurteilte Unterlassungsgebot. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Gläubigerin vom 08.03., 10.08. und 05.11.2010 Bezug genommen. Die Gläubigerin beantragt deshalb die Verhängung eines Ordnungsgelds, ersatzweise Ordnungshaft im Wege der Zwangsvollstreckung.
Die Schuldner bestreitet, gegen das Unterlassungsgebot verstoßen zu haben und vertritt darüber hinaus die Auffassung, der Vorrang europäischen Gemeinschaftsrechts gebiete es, die Zwangsvollstreckung aus einem nicht rechtskräftigen Urteil, welches mit EG-Recht unvereinbar sei, nicht zu betreiben. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Schuldner vom 01.04., 29.09.und 02.12.2010.
Der Rechtsstreit befindet sich derzeit im Revisionsverfahren vor dem BGH.
Der Ordnungsmittelantrag ist unbegründet. Aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des OLG Frankfurt kann die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung nicht betreiben.
Mit Urteil vom 08.09.2010 hat der EuGH entschieden ("Winner Wetten"), dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine damit unvereinbare nationale Regelung über ein staatliches Sportwettenmonopol auch nicht für eine Übergangszeit weiter angewendet werden darf.
Das hat zur Folge, dass jede dem Unionsrecht entgegenstehende Bestimmung nationalen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird.
Nach ständiger Rechtssprechung des EuGH ist zudem jedes nationale Gericht als Organ eines Mitgliedsstaates verpflichtet, das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt lässt (EuGH aaO, Ziffer 55, zitiert nach [...]).
Danach ist durch das angerufene Gericht alles zu unterlassen, was ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechts bilden würde (EuGH, aaO, Ziffer 56). Die Verhängung von Zwangsgeldern im Ordnungsmittelverfahren, die auch strafrechtliche Elemente enthält (vgl. z.B. Zöller-Stöber, § 890, RdNr. 5 mit umfangreichen Nachweisen), ist deshalb unionsrechtlich verboten, wenn der zugrundeliegende Titel seinerseits gegen Unionsrecht verstößt.
Es besteht aus hiesiger Sicht infolge des Urteils des EuGH vom 08.09.2010 kein Zweifel, dass das auf den GlüStV gestützte Urteil des OLG Frankfurt mit Unionsrecht unvereinbar ist.
Jegliche Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil würde unter Beachtung der oben geschilderten Grundsätze die Gewährung effektiven Rechtsschutzes der Schuldnerin verhindern oder zumindest in Frage stellen. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, das sich auf europarechtswidrige nationale Regelungen stützt, würde nämlich dazu führen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden würde. Dies gilt nach Auffassung der Kammer unabhängig davon, dass die Vorschriften der ZPO für sich genommen nicht gegen Unionsrecht verstoßen. Die Anwendung von Verfahrensvorschriften darf nicht dazu führen, dass dadurch die derzeit durch das Urteil des OLG Frankfurt bestehende Rechtsverletzung zu Lasten der Schuldnerin manifestiert wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891, 91 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 4623986 |
ZfWG 2011, 146 |