Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumungsfrist nach ordentlicher Kündigung des Mietverhältnisses: Beginn der Pflicht des Räumungsschuldners zur Beschaffung von Ersatzwohnraum
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Die Beschaffung von Ersatzwohnraum nach ordentlicher Kündigung des Mietvertrags durch den Vermieter ist vom Mieter grundsätzlich erst ab Rechtskraft des Räumungsurteils in Werk zu setzen.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Die Pflicht des Mieters, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen, setzt nur dann zu einem früheren Zeitpunkt ein, wenn er von der Berechtigung der Kündigung oder der Erfolglosigkeit seiner sonstigen Verteidigung ausgehen muß.
Tatbestand
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Durch Urteil des AG Wuppertal v. 8. 9. 1994 ist der Beklagte verurteilt worden, die von ihm im zweiten Obergeschoß des Hauses in Wuppertal innegehaltene Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils heißt es, das Mietverhältnis sei durch die Kündigung der Klägerin v. 9. 3. 1993 zum 31. 3. 1994 beendet worden. Das AG hat dem Beklagten in dem genannten Urteil eine Räumungsfrist bis zum 28. 2. 1995 bewilligt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem als sofortige Beschwerde zulässigen Rechtsmittel, soweit dem Beklagten eine Räumungsfrist über den 31. 10. 1994 hinaus bewilligt worden ist. Sie macht im wesentlichen geltend, sie müsse zur Zeit in äußerst beengten Verhältnissen - ein Zimmer in der Wohnung der Mutter - wohnen. Demgegenüber sei dem Beklagten seit 3 1/2 Jahren bekannt, daß sie die Wohnung selbst beziehen wolle. Gegen den Grund der Eigenbedarfskündigung habe der Beklagte zunächst keine Einwände erhoben, sondern lediglich um eine Räumungsfrist bis zum 30. 6. 1994 gebeten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt in der Sache im Ergebnis ohne Erfolg. Nach § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn auf Räumung von Wohnraum erkannt wird, dem Räumungsschuldner eine den Umständen angemessene Räumungsfrist gewähren. Bei dieser in das Ermessen des Gerichts gestellten Entscheidung sind unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Die Bestimmung des § 721 ZPO dient aber auch dem Interesse der Allgemeinheit, Obdachlosigkeit mit all ihren unerwünschten sozialen Folgen möglichst zu vermeiden.
Danach erscheint es noch vertretbar, es bei der dem Beklagten bis zum 28. 2. 1995 gewährten Räumungsfrist zu belassen. Dem Beklagten ist in angemessener Weise Gelegenheit zu geben, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen. Hierbei ist zu beachten, daß die Pflicht, sich nachhaltig um eine Ersatzwohnung zu bemühen, noch nicht ohne weiteres mit Ausspruch der Kündigung einsetzt, sondern sich im allgemeinen erst mit der Rechtskraft des Räumungsurteils stellt. Denn andernfalls müßte der auf Räumung in Anspruch Genommene selbst dann sich vorsorglich um eine Ersatzwohnung bemühen, wenn er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung zur Wehr setzt. Er müßte gleichsam an zwei Fronten - im Prozeß und auf dem Wohnungsmarkt - gleichzeitig kämpfen und könnte in Interessenkonflikte geraten, falls er einerseits seine Rechtsverteidigung für aussichtsreich hält andererseits jedoch eine Ersatzwohnung findet. Daher setzt die Pflicht eines Mieters, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen, grundsätzlich nur dann zu einem früheren Zeitpunkt ein, wenn er von der Berechtigung der Kündigung oder der Erfolglosigkeit seiner sonstigen Verteidigung ausgehen muß (vgl. Sternel, Mietrecht, V 108 sowie LG Hamburg in WM 1987, 62f. und WM 1988, 316).
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte zwar gegen den Grund der Eigenbedarfskündigung keine Einwände erhoben, jedoch bereits mit Schrift des Mieterbundes v. 10. 1. 1994 "form- und fristgerecht Widerspruch nach der Sozialklausel" insbesonders im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand erhoben. Daß dieses Verteidigungsvorbringen von vornherein aussichtslos oder nahezu mutwillig gewesen wäre, kann nicht gesagt werden. Es ist daher keinesfalls gerechtfertigt, dem Beklagten, wie es die Klägerin begehrt, über die Auflösung des Mietverhältnisses hinaus nur eine ganz kurze Räumungsfrist (bis zum 31. 10. 1994) zu gewähren.
Bei der Bemessung der danach dem Beklagten zu gewährenden angemessenen Räumungsfrist war einerseits zu berücksichtigen, daß die Klägerin derzeit in beengten Verhältnissen leben muß, so daß ihr Interesse, alsbald in die von dem Beklagten noch bewohnte Wohnung einziehen zu können, durchaus berechtigt und nachvollziehbar ist.
Auch ist der Beklagte alleinstehend und hat daher nur für seinen Wohnbedarf zu sorgen und nicht etwa denjenigen einer Familie, was ersichtlich mit größeren Schwierigkeiten verbunden wäre. Schließlich hat er zwar geltend gemacht, sich bereits - allerdings erfolglos - um eine Ersatzwohnung bemüht zu haben (vgl. etwa das genannte Schreiben des Mieterbundes v. 10. 1. 1994); er hat jedoch nicht im einzelnen dargelegt, welche konkreten Schri...